Theologie Benedikts XVI. Von Liebe und Jesus

Stand: 28.02.2013 03:44 Uhr

Theologisch hat Papst Benedikt XVI. zwei Akzente gesetzt: seine Enzyklika über die Liebe und sein dreibändiges Werk über Jesus. Die Trilogie präsentierte er nicht als einzige Wahrheit, sondern rief zum Widerspruch auf. Andere Lehrschreiben des Papstes fanden kaum Beachtung.

Von Clemens Finzer, BR

Zwei große Themenbereiche durchziehen das theologische Pontifikat Benedikts XVI.: Die Liebe und die Figur Jesus von Nazareth. Beiden hat sich der Papst in besonderer Weise auch als Theologe gewidmet.

Noch nicht einmal ein Jahr im Amt veröffentlicht er im Januar 2006 sein erstes - und wie viele Kritiker sagen auch bestes - Lehrschreiben mit dem Titel "Deus caritas est" ("Gott ist die Liebe"). "In dieser Enzyklika möchte ich das Konzept der Liebe in ihren verschiedenen Dimensionen zeigen", sagte Benedikt XVI. "Im heutigen Sprachgebrauch erscheint die Liebe oft sehr weit entfernt von dem, woran ein Christ denkt, wenn er von der christlichen Liebe der Karitas spricht. Doch ich möchte darlegen, dass es sich um ein und dieselbe Bewegung in verschiedenen Dimensionen handelt und dass auch die menschliche Liebe, der Eros, dieses Geschenk der Liebe zwischen Mann und Frau aus derselben Quelle fließt, nämlich der Güte des Schöpfers."

C. Finzer, BR, 28.02.2013 03:43 Uhr

Ein Papst ist kein Professor

Doch etwa ein halbes Jahr später landet Benedikt XVI. nach seinen theologischen Höhenflügen recht unsanft auf dem Boden der interreligiösen Wirklichkeit. So löst seine "Regensburger Rede" in der islamischen Welt eine Welle an gewaltsamen Protesten aus. Dabei hatte Benedikt in guter wissenschaftlicher Tradition an seiner alten Wirkungsstätte als Theologieprofessor eine Vorlesung über Glaube und Vernunft sowie die Absage der Religionen an Gewalt gehalten. Doch ein Papst ist eben kein Professor und seine Worte haben ein anderes Gewicht.

Benedikt XVI. zieht daraus Konsequenzen und publiziert seine Buch-Trilogie über "Jesus von Nazareth" ausdrücklich unter seinem bürgerlichen Namen Joseph Ratzinger. Und er fordert sogar dazu auf, ihm zu widersprechen, sollte jemand anderer Meinung sein.

"Das hat es noch nie in der Kirchengeschichte gegeben, dass ein Papst ein Jesus-Buch geschrieben hat, und deshalb ist das eine absolute Innovation", sagt der Münchner Fundamentaltheologe und Religionsphilosoph Eugen Biser. "Er maßt sich keine unfehlbaren Entscheidungen an, sondern bleibt im Gespräch mit der Theologie und mit den Lesern."

Kritik an Sozial-Enzyklika

Während seine Jesus-Bücher auch bei protestantischen Theologen Beachtung finden, bleiben die beiden weiteren päpstlichen Lehrschreiben über die Hoffnung ("Spes salvi") und die sozialen Aspekte der Finanz- und Wirtschaftskrise ("Caritas in Veritate") nahezu unbeachtet. Kritiker bescheinigen der Sozial-Enzyklika sogar erhebliche systematische und methodische Mängel. Das Schreiben könne mit anderen, wegweisenden Sozial-Enzykliken vergangener Päpste nicht mithalten.

Für den langjährigen Leiter der deutschsprachigen Abteilung von Radio Vatikan, den Jesuitenpater Eberhard von Gemmingen, ist Benedikt XVI. deshalb aber theologisch keineswegs gescheitert. "Der Benedikt hat kapiert, worum es geht: Diktatur des Relativismus." Es gehe um die Frage, wie die Menschen wieder Boden unter den Füßen bekommen könnten, "damit sie wirklich sinnvoll leben können nach unserem Glauben, dem katholischen Glauben".

Liebevoller Opa statt Reformator

Dafür habe der Theologe und Papst Benedikt zwei der wichtigsten Kernelemente des katholischen, des christlichen Glaubens hervorgehoben: die Liebe und die Person Jesu Christi, in der Gottes Liebe zu den Menschen greifbar geworden ist.

Reformbedürftige theologische Fragen - wie die der Frauen oder der Homosexualität in der katholischen Kirche - blieben dagegen meist unbearbeitet. Benedikt XVI. wird so der Nachwelt eher als liebevoller Opa, denn als reformwilliger Theologe in Erinnerung bleiben.