Korruption in der Ukraine "PanamaPapers" belasten Ex-Premier Lasarenko

Stand: 13.04.2016 12:09 Uhr

Seit dem Ende der Sowjetunion kämpft die Ukraine mit korrupten politischen Eliten. Die "PanamaPapers" geben nun Einblick in das Netz von Tarnfirmen des Ex-Premiers Lasarenko. Auch seine spätere Nachfolgerin im Amt, Julia Timoschenko, taucht in den Unterlagen auf.

Von Antonius Kempmann, NDR

Der ukrainische Ex-Premierminister Pawlo Lasarenko hat ein weitaus größeres Netzwerk an Tarnfirmen und anonymen Bankkonten für die Veruntreuung von Staatsgeldern benutzt, als bislang bekannt ist. Das belegen die "PanamaPapers", Daten, die der "Süddeutschen Zeitung" zugespielt worden sind und von ihr gemeinsam mit NDR, WDR und internationalen Partnern ausgewertet wurden. Die Unterlagen zeigen, dass er Briefkastengesellschaften des Offshore-Dienstleisters "Mossack Fonseca" nutzte, aus dessen Bestand die Dokumente stammen. Ermittler, so zeigen es "Mossack Fonseca"-Dokumente, schätzten die von Lasarenko über die Karibik veruntreute Gesamtsumme zwischenzeitlich auf zehn Milliarden US-Dollar. Auf welche Firmen sich diese Summe verteilt, ist nicht dokumentiert.

Lasarenko bereits einmal verurteilt

Lasarenko ist in der Schweiz und in den USA unter anderem wegen Geldwäsche bereits verurteilt worden. In diesem Zusammenhang sind auch die Namen dreier Scheinfirmen bekannt geworden, über die Lasarenko verfügte. Das ganze Ausmaß seiner Offshore-Konstruktionen machen jedoch erst die "PanamaPapers" deutlich: Die Firma "Paddox Industries" zum Beispiel wurde von seinem damaligen Berater für Geldfragen, Petro Kiritchenko, gegründet - zwölf  Tage bevor Lasarenko im Jahr 1996 das Amt des Premierministers antrat. Die Besonderheit dieser Firma: Sie wurde mit Inhaberaktien registriert.

Die Methode ist ebenso anonym wie dubios. Wer die Inhaberaktien in seinem Besitz hat, gilt als Eigentümer der Firma. So hinterlassen Geschäfte keine verräterische Spur. Firmen und Bankkonten lassen sich komplett anonym führen. Das Modell ist wie geschaffen für Leute, die viel zu verbergen haben.

Ein Jahr zuvor, 1995, waren bereits die Firmen "Gateway Marketing" und "Westview Properties Limited" auf den Britischen Jungferninseln gegründet worden. Auch für sie wurden nur Inhaberaktien ausgestellt. Laut den Dokumenten gehörten beide Firmen Lasarenko. Die Unterlagen zeigen, dass der ehemalige Premier im Namen seiner Firmen Konten bei zwei Banken in der Schweiz und in Liechtenstein eröffnete: Bei der "SCS Alliance" in Genf, die heute unter dem Namen "CBH Bank" firmiert, und der "Neuen Bank" in Liechtenstein. Anonyme Aktien und Nummernkonten verschleiern den wahren Eigentümer gleich doppelt.

Die Formel seines Reichtums

Woher das Geld stammte, das Lasarenko ins Ausland schaffte, erklärte sein ehemaliger Geschäftspartner und Finanzexperte Kiritchenko vor Gericht. Lasarenkos Nebeneinkünfte als Politiker ließen sich nach Kiritchenkos Aussage auf die Formel "50:50" reduzieren. Jeder, der während der 1990er-Jahre in Lasarenkos Einflussgebiet Geschäfte machen wollte, musste die Hälfte der Profite an ihn abführen. Mit der Zeit wuchs Lasarenkos Einflussgebiet. Zunächst war er nur Regionalpolitiker in der Region Dnipropetrowsk, doch schon bald kontrollierte er als Vize-Premierminister, zuständig für Energiefragen, den für die Ukraine so wichtigen Energiemarkt. Dies war eine der Schlüsselstellen ukrainischer Politik. Jedes Jahr gingen große Energie-Deals über Lasarenkos Schreibtisch. Besonders lukrativ waren die vom Staat vergebenen Lizenzen für den Import von Öl und Gas.

"Mossack Fonseca" half Lasarenko und seinen Helfern also, ein Netz an ausländischen Tarnfirmen und anonymen Bankkonten zu knüpfen, die es ermöglichten, die veruntreuten Gelder spurlos verschwinden zu lassen. Durch Lasarenkos Geschäfte entgingen dem ukrainischem Staat Millionen von US-Dollar, die stattdessen in Lasarenkos Geldwäschenetz landeten. Ausgegeben wurde das Geld oft außerhalb der Ukraine. Sein offizieller Verdienst betrug umgerechnet wenige Tausend Euro im Monat. Lasarenko und seine Helfer kauften trotzdem Immobilien an der amerikanischen Westküste, US-Medien berichteten von seinem extravaganten Lebensstil und teuren Wagen, die er fuhr.

Verbindungen zu Julia Timoschenko

Ob dieser Luxus direkt über die "Mossack Fonseca"-Firmen finanziert worden ist oder über Umwege, das offenbaren die Unterlagen nicht. Dafür aber, wie die Behörden Lasarenko nachspürten: Nach seinem Rücktritt im Juli 1997 begann die ukrainische Staatsanwaltschaft die Suche nach dem verschwundenen Geld und sandte Amtshilfeersuchen und Durchsuchungsbeschlüsse dahin, wo sie Lasarenkos geheime Kassen vermutete. Auch "Mossack Fonseca" bekam diese Briefe. Die "PanamaPapers" zeigen, dass die Kanzlei die Zusammenarbeit mit den Lasarenko-Firmen trotzdem nicht beendete.

In den Beschlüssen, wie sie zum Beispiel auch an Behörden auf den Britischen Jungferninseln geschickt worden sind, wurden nicht nur Informationen zu den Offshorefirmen Lasarenkos gefordert. Auch die Rolle einer Frau, die vielfach nur die "Gasprinzessin" genannt wird, sollte in diesem Zusammenhang geklärt werden. Die Rede ist von Julia Timoschenko, ehemalige Ministerpräsidentin der Ukraine und Geschäftsfrau.

Timoschenkos Name stand auf den Beschlüssen auch neben einer Firma, die Lasarenko zugerechnet wird, der "Bassington Ltd." Timoschenko war Mitte der 90er-Jahre einer der "big player" auf dem ukrainischen Energiemarkt. Ihre Firma "United Energy Systems of Ukraine" (UESU) hielt das Quasi-Monopol für Energieimporte aus Russland. Die Importlizenz für Öl und Gas brachte der UESU hohe Gewinne; besonders bei der energiehungrigen ostukrainischen Schwerindustrie waren hohe Margen zu erwirtschaften. Innerhalb kurzer Zeit galt Timoschenko als die reichste Frau der Ukraine. Die Durchsuchungsbeschlüsse rücken sie nun in unmittelbare Nähe von Lasarenko und damit auch in die Nähe seines Geldwäschenetzwerkes.

Timoschenkos Firmen sollen 100 Millionen US-Dollar gezahlt haben

Timoschenko bestreitet über ihre Anwälte, Verbindungen zur "Bassington Ltd." gehabt und Zahlungen an Lasarenko geleistet zu haben. Hinweise darauf, dass Timoschenko selbst Offshore-Firmen von "Mossack Fonseca" besessen hat, gibt es keine. Lasarenko selbst wurde nach einer überstürzten Flucht aus der Ukraine 1999 in den USA festgenommen und dort vor Gericht gestellt. Im Prozess sagten Beteiligte wie etwa Lasarenkos persönlicher Finanzberater gegen Timoschenko aus. Von den Anklägern wurde sie in Lasarenkos Verfahren als "unindicted co-conspirator", als nicht angeklagte Mitverschwörerin, geführt.

In einem separaten Verfahren vor einem US-Gericht legten die Kläger Belege vor, die Zahlungen an Lasarenko beweisen sollten. Allein in den Jahren 1996 und 1997 sollen rund 100 Millionen US-Dollar von Timoschenkos Firmen an Lasarenkos Helfer geflossen sein. Jedoch: Da sie ihre Geschäfte zumeist über andere Länder abwickelte, unterlag sie nicht amerikanischer Rechtsprechung. In den USA konnte ihr nicht der Prozess gemacht werden.

Lasarenko wurde zwar verurteilt. Ein großer Teil der veruntreuten Gelder blieb jedoch verschwunden. Vor Gericht konnte längst nicht sein ganzes Imperium an Offshore-Firmen und -Konten zu Tage gefördert werden.  Die neuen Dokumente zeigen nun weitere Teile der Struktur, mit deren Hilfe das Geld aus der ukrainischen Staatskasse verschwand. Lasarenkos Anwälte ließen alle Anfragen zu den Offshore-Firmen unbeantwortet.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 04. April 2016 um 12:00 Uhr.