Nach Tötung Bin Ladens Pakistan droht USA mit Konsequenzen

Stand: 05.05.2011 18:47 Uhr

Die Tötung von Bin Laden belastet massiv das Verhältnis Pakistans zu den USA. Der pakistanische Außenpolitiker Bashir warnte, weitere Einsätze von US-Spezialkommandos gegen Al-Kaida-Angehörige würden verheerende Folgen haben. Genau das aber schließt US-Präsident Obama nicht aus.

Die Tötung von Al-Kaida-Chef Osama Bin Laden durch ein US-Spezialkommando entwickelt sich zu einer massiven Belastung für die Beziehung Pakistans zu den USA. Der Leiter des pakistanischen Außenministeriums, Salman Bashir, warnte, weitere derartige Einsätze würden verheerende Konsequenzen haben. Solche Fehleinschätzungen würden "in einer furchtbaren Katastrophe" münden, sagte Bashir. Niemand solle bezweifeln, dass Pakistan in der Lage sei, seine Verteidigung selbst zu gewährleisten.

Bashir betonte weiter, die pakistanischen Sicherheitskräfte seien "weder inkompetent noch nachlässig in ihrer heiligen Pflicht, Pakistan zu beschützen".

Auch die pakistanischen Streitkräfte richteten eine deutliche Warnung an den Verbündeten. Die Armee erklärte, die Souveränität Pakistans sei durch das US-Kommandounternehmen gegen Bin Laden verletzt worden. Bei ähnlichen Aktionen werde die Zusammenarbeit der Streitkräfte und Geheimdienste überprüft. Die Erklärung wurde nach einem Treffen des Oberkommandierenden Ashfaq Parvez Kayani mit einer Reihe hochrangiger Offiziere veröffentlicht.

Botschaft auch ans eigene Land

Nach Ansicht von Beobachtern richtete sich Bashir mit seinen Worten gleichermaßen an die USA wie an die einheimische Bevölkerung. Innenpolitisch, so die Einschätzung, versuche er Kritik zu begegnen, die pakistanische Regierung habe die Verletzung ihres Hoheitsgebietes gedultet.

Zugleich trat Bashir deutlich der Ankündigung von US-Präsident Barack Obama entgegen, er behalte sich auch künftig das Recht vor, gegen Terroristen vorzugehen. Sein Sprecher Jan Carney hatte gesagt, Obama habe bereits während des Präsidentschaftswahlkampfs deutlich gemacht, dass er Einsätze in Pakistan anordnen würde, wenn dort Terrorverdächtige aufgespürt würden. Obama sei weiterhin der Ansicht, dass dies der "richtige Ansatz" sei.

Immer mehr Drohnen-Einsätze

Schon vor dem Angriff auf das Versteck Bin Ladens hatte das militärische Vorgehen der USA in Pakistan einen großen Teil der Bevölkerung empört. Obama hat seit seinem Amtsantritt den Einsatz unbemannter Drohnen in Pakistan verstärkt; seitdem wurden bei mehr als hundert Drohnenangriffen mehr als 670 Menschen getötet.

Die einflussreiche islamistische Partei Jamaat-e-Islami rief für Freitag zu Massenkundgebungen auf, um gegen die Zusammenarbeit der Regierung mit den USA im Kampf gegen gewaltbereite Extremisten zu protestieren. Die USA hätten mit ihrer Kommando-Aktion die pakistanische Souveränität und Unabhängigkeit verletzt.

Doch auch in den USA dauert die Kritik am Verhalten des Verbündeten an. Angesichts des angeblich jahrelang unentdeckten Verstecks von Bin Laden forderte die US-Abgeordnete Kay Granger, ein fast 200 Millionen Dollar schweres Hilfsprogramm für Flutopfer in Pakistan auf Eis zu legen. Präsident Obama hat sich zu solchen Forderungen bislang nicht geäußert.

Die pakistanische Version

Außenamtsleiter Bashir legte zugleich erstmals eine pakistanische Version des US-Einsatzes vor. Demnach hätten die pakistanischen Behörden die US-Hubschrauber zunächst nicht bemerkt, weil diese in niedriger Höhe flogen, um dem Radar zu entgehen. Als einer der Hubschrauber abgestürzte, habe das Militär binnen Minuten bestätigen können, dass es sich um einen ausländischen Hubschrauber handelte, weil pakistanische Hubschrauber nur tagsüber fliegen.

Die pakistanische Luftwaffe habe daraufhin zwei F-16-Kampfflugzeuge entsandt, die 15 Minuten später in Abbottabad eingetroffen seien. Zu diesem Zeitpunkt habe das US-Kommando aber bereits den Ort verlassen gehabt. Die pakistanischen Soldaten hätten in dem Gebäude die Familie Bin Ladens vorgefunden, die erklärt habe, dass der Al-Kaida-Führer erschossen und seine Leiche fortgebracht worden sei.

Der Oberkommandierende Kayani sei gegen 3.00 Uhr Ortszeit (0.00 Uhr MESZ) vom US-Oberbefehlshaber Mike Mullen informiert worden. Erst danach habe Obama seinen pakistanischen Amtskollegen Asif Ali Zardari angerufen.