
Corona-Pandemie Neuseeland macht wieder auf - für alle
EU-Bürger lässt Neuseeland schon seit mehreren Monaten wieder einreisen - nun dürfen auch alle anderen wieder ins Land, ohne in Quarantäne gehen zu müssen. Der Schritt soll die notleidende Wirtschaft ankurbeln.
Reisende schieben ihre Trolleys durch die Ankunftshalle des Flughafens von Auckland. Familien und Freunde liegen sich in den Armen. Einer Frau fließen Tränen die Wangen herunter. "Es war einfach zu lang, viel zu lang." Sie ist glücklich, endlich wieder in Neuseeland zu sein.
Eine andere Frau läuft auf ihre Familie zu. "Wir sehen uns nach rund zwei Jahren das erste Mal wieder. Ich werde das erste Mal meinen Neffen sehen", erzählt sie einem Reporter der Nachrichtenagentur Reuters.
Neuseeland hebt seine letzten Einreisebeschränkungen auf. Sie galten für alle, die ein Visum für die Einreise nach Neuseeland benötigen. EU-Bürger brauchen kein Visum und konnten bereits seit Mai wieder quarantänefrei nach Neuseeland einreisen. Alle Besucher müssen allerdings nach wie vor gegen Corona geimpft sein und sich nach ihrer Ankunft zweimal testen lassen. Wer nicht geimpft ist, darf nicht einreisen. Eine Ausnahme gibt es unter anderem für Kinder unter 16 Jahren bzw. Personen mit ärztlichem Attest.
Studierende kommen nur langsam zurück
Vor der Pandemie waren internationale Schüler und Studierende eine wichtige Einnahmequelle für Neuseeland. Ab heute können sie wieder Visa beantragen. Die meisten Schüler und Studierenden werden vermutlich aber erst im kommenden Jahr einreisen, denn die Bewerbungsprozesse laufen gerade erst an.
Das Macleans College in Auckland hatte vor der Pandemie rund 300 internationale Schülerinnen und Schüler. Schuldirektor Steve Hargreaves hätte sich gewünscht, dass der Bewerbungsprozess für die Visa schon vor Monaten losgegangen wäre, so dass die Schülerinnen und Schüler ab heute hätten zurückkehren können. "Wir haben einen großen Nachholbedarf, wenn wir das, was für Neuseeland so wichtig ist, zurückgewinnen wollen."
Ohne internationale Schüler stünden einige Schulen vor dem Aus, sagt Schuldirektor Hargreaves dem Sender Radio Neuseeland. Internationale Schüler und Studierende haben Neuseeland vor der Pandemie etwa fünf Milliarden Dollar pro Jahr eingebracht. Diese Einnahmen sanken im Pandemiejahr 2021 auf geschätzt 1,3 Milliarden Dollar.
Kreuzfahrtbranche hofft auf Erholung
Auch die Unternehmen im Zentrum von Auckland hoffen auf Rückkehrer - allerdings aus der Kreuzfahrtbranche. Diese ist ebenfalls eine wichtige Einnahmequelle für Neuseeland. In der letzten Saison vor der Pandemie brachte sie mehr als 500 Millionen Dollar ein.
Der Geschäftsführer der Cruise Association, Kevin O’Sullivan, ist daher froh, dass die Grenzen für alle Touristen wieder offen sind. Er vermutet aber, dass sich die Touristenzahlen erstmal nur geringfügig ändern werden. Das erste Kreuzfahrtschiff werde am 12. August in Auckland eintreffen. Dann gebe es eine Lücke bis Mitte Oktober "bis die Saison ernsthaft beginnt". Ein Teil der Unternehmen sei ohnehin noch gar nicht auf die zurückkehrenden Touristen vorbereitet, so O’Sullivan zu Radio Neuseeland.
Simon Sanders, der Leiter der neuseeländischen Einwanderungsbehörde betont, dass die Grenzöffnung ein "bedeutender Meilenstein" sei. Allerdings erwartet Sanders weniger Besucher als vor der Pandemie. Die Gründe seien vielfältig. Unter anderem könnten Besucher aus China, die für Neuseeland eine große Rolle spielen, weiterhin nicht frei reisen. Grundsätzlich gelte: Wer einreisen will, soll schnell und unkompliziert ein Besuchervisum erhalten - innerhalb von 20 Arbeitstagen. Die Einwanderungsbehörde werde sofort mit der Bearbeitung der Visa beginnen.
Wer erst im kommenden Jahr einen Besuch oder ein Studium plane, solle mit der Beantragung noch ein wenig warten. "Diejenigen, die im Jahr 2023 studieren wollen, sollten sich noch ein paar Monate gedulden, damit wir sicherstellen können, dass diejenigen, die noch in diesem Jahr einreisen wollen, dies auch tun können."
Viele junge Menschen gehen ins Ausland
Neuseeland ist auf Zuwanderung angewiesen. In den vergangenen Monaten haben mehr Neuseeländer das Land verlassen als eingewandert sind, wie die Regierung Mitte Juli bekannt gab. Besonders junge Neuseeländer und Neuseeländerinnen kehrten ihrer Heimat den Rücken, um sich im Ausland beruflich zu verändern. Dabei kämpft Neuseeland bereits jetzt mit einem Fachkräftemangel. Rund eine Million Neuseeländer leben im Ausland. Das sind mehr als 15 Prozent der Staatsbürger.
Neuseeland verfolgte lange eine rigorose Null-Covid-Politik. Im März 2020 schloss das Land seine Grenzen. Die strikten Einreisebestimmungen gelten als einer der Hauptgründe für Neuseelands erfolgreichen Kampf gegen das Virus. Seit Beginn der Pandemie verzeichnete das Land, in dem rund fünf Millionen Menschen leben, nur 855 Todesfälle. Die meisten von ihnen wurden nach der Lockerung der Corona-Beschränkungen im März inmitten einer Omikron-Welle registriert.
Öffnung zwei Monate vorgezogen
In den vergangenen sieben Tagen meldeten die Behörden nun über 52.500 Infektionsfälle. Ministerpräsidentin Jacinda Ardern erklärte das schrittweise Vorgehen: "Es war ein sukzessiver und vorsichtiger Prozess, den wir seit Februar durchlaufen haben, um gemeinsam mit dem Rest der Welt eine sehr lebhafte globale Pandemie zu bewältigen und gleichzeitig unsere Bevölkerung zu schützen."
Die neuseeländische Regierung hatte im Mai beschlossen, die Öffnung der Grenzen für alle Reisenden um zwei Monate vorzuziehen, um die Wirtschaft wieder anzukurbeln - vor allem die notleidende Tourismusindustrie.