Uigurische Demonstranten wehren sich gegen einen Polizeieinsatz.

Human Rights Watch zu China "Jeder soll und muss Chinese sein"

Stand: 10.09.2018 11:52 Uhr

Human Rights Watch wirft China massive Repressionen gegen Muslime vor. Das muslimische Volk der Uiguren darf seine Religion nicht ausüben und soll in Umerziehungslagern auf Linie gebracht werden.

Heute erscheint der bislang umfangreichste Bericht zur Situation in der Provinz Xinjiang im Nordwesten Chinas. Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch dokumentiert auf 117 Seiten Chinas repressive Kampagne gegen die Muslime in Xinjiang, vor allem gegen die Uiguren. Deren Heimat ist zu einem beispiellosen Überwachungsstaat geworden.

Bis zu eine Million Menschen sollen in politischen Umerziehungslagern sein, jegliche Religionsfreiheit ist massiv eingeschränkt worden. Der Bericht basiert vor allem auf Interviews mit Dutzenden uigurischen und kasachischen Flüchtlingen. Die chinesische Regierung begründet das harte Vorgehen mit der Sorge vor islamistischem Terror.

Gebetsteppiche als Kennzeichen des religiösen Extremismus

Der Besitz eines Korans ist verboten, auch das Wort Allah soll keiner mehr in den Mund nehmen. Gebetsteppiche gelten als Kennzeichen des religiösen Extremismus. Weil er überzeugter Muslim ist, landete Kairat Samarkand aus der chinesischen Nordwestprovinz Xinjiang in einem politischen Umerziehungslager. Mit seiner Familie ist er mittlerweile aus China geflüchtet.

"Wir mussten in dem Lager die chinesische Nationalhymne lernen und Lieder singen, in denen Staatsgründer Mao Zedong geehrt wird", sagte er der Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch. "Oder einen Song, in dem Staats- und Parteichef Xi Jinping ein 1000-jähriges Leben gewünscht wird und in dem es außerdem um die großartige Geschichte Chinas geht. Die Regierung will alles Muslimische ausrotten: muslimische Schriften, muslimische Kleidung, den Islam an und für sich. Sie wollen eine homogene Nation, jeder soll und muss Chinese sein."

Keine Rechtsgrundlage für Umerziehung

In Xinjiang leben vor allem muslimische Uiguren, aber auch Kasachen und Kirgisen. Berichte, wonach es in Xinjiang ein groß angelegtes Netz von politischen Umerziehungslagern gebe, seien glaubwürdig, sagt Sophie Richardson, die China-Direktorin von Human Rights Watch.

"Es werden möglicherweise bis zu eine Million Menschen in diesen Lagern festgehalten. Und es scheint die chinesische Regierung nicht zu interessieren, dass es keine Rechtsgrundlage dafür gibt, willkürlich Leute festzusetzen und sie zu politischer Umerziehung zu zwingen", so Richardson. Umerziehung zur Loyalität gegenüber der Volksrepublik China und der Kommunistischen Partei.

Der Islam soll raus aus den Köpfen der Menschen, die Partei soll rein in die Köpfe. China hat die Provinz Xinjiang außerdem zu einem beispiellosen Polizei- und Überwachungsstaat ausgebaut. "Es gibt so viele Kameras", schildert eine geflüchtete Frau ihre Erfahrungen aus dem Alltag. "Unser einstündiger Weg zur Arbeit dauerte fast einen halben Tag, weil es überall Checkpoints und Inspektionen gibt. Sie überprüfen Deinen Ausweis, scannen Deine Iris und machen dauernd Leibesvisitationen."

China soll sich vor Weltgemeinschaft verantworten

Die Organisation Human Rights Watch fordert, dass China sich vor der Weltgemeinschaft für die massiven Menschenrechtsverletzungen verantworten und mit Sanktionen belegt werden müsse.

In Xinjiang leben etwa zehn Millionen Uiguren, rund die Hälfte der Einwohner. Immer wieder kam es in der Provinz zu Unruhen. Der chinesische Staat macht dafür extremistische uigurische Gruppen verantwortlich und führt einen rigorosen Anti-Terror-Kampf. Auf Kritik oder Protest hat die chinesische Regierung regelmäßig mit noch mehr Repression und Überwachung reagiert.

Axel Dorloff, Axel Dorloff, ARD Peking, 10.09.2018 11:15 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 10. September 2018 um 05:25 Uhr.