Kommentar

Kommentar Zu klug, um Sarkozy zu beschädigen

Stand: 14.03.2008 17:17 Uhr

Nach wochenlangem Streit zwischen Berlin und Paris ist die Mittelmeerunion beschlossen. Bundeskanzlerin Angela Merkel nannte sie "ein sehr gutes Beispiel für die deutsch-französische Zusammenarbeit", obwohl sie das Projekt lange ablehnte. Aber sie ist zu klug, um Frankreichs Präsident zu beschädigen.

Ein Kommentar von Peter Heilbrunner, SWR

Ein Kommentar von Peter Heilbrunner, SWR-Hörfunkstudio Paris

Nach knapp einem Jahr im Amt hat Nicolas Sarkozy seine Rolle auf der europäischen Bühne gefunden. Er ist der hyperaktive kleine Junge, der immer alles gleichzeitig möchte – nur nicht still sitzen eben. Deshalb lässt er einen Ballon nach dem anderen steigen, in der Hoffung, dass zumindest einer wenigstens halbwegs heil im Ziel ankommt.

Denn: Der Gegenwind ist heftig. Das war im Dezember so, als Monsieur le Président den Europäern einen Rat der Weisen schenken wollte. Das Gremium sollte sich Gedanken über die Zukunft Europas machen, vor allem aber über dessen Grenzen. Der Plan war jedoch allzu durchsichtig – und scheiterte deshalb. In Wahrheit dürfte es dem Mann im Elysée nämlich darum gegangen sein, der Türkei endlich den Stuhl vor die EU-Tür zu setzen. Die Experten-Runde sollte dafür Mittel zum Zweck sein.

Viel zu klug, um Sarkozy zu beschädigen

Mit der Mittelmeer-Union drohte es ähnlich zu laufen – nur das diesmal Angela Merkel rechtzeitig eingriff. Auch die Bundeskanzlerin hat aus ihrer Ablehnung der Pariser Vorschläge lange Zeit keinen Hehl gemacht. Merkel aber ist viel zu klug, um gleichzeitig nicht auch zu erkennen, dass ein allzu beschädigter französischer Präsident Europa zum Erliegen bringen würde – zumal im zweiten Halbjahr die Franzosen den Vorsitz der EU innehaben.

Ganz Pragmatikerin hat die Deutsche Regierungschefin also das beste aus der Situation gemacht. Sie hat die Mittelmeer-Unionsidee von Sarkozy EU-tauglich gemacht: weg von einem exklusiven Club aus Südeuropäern und Nicht-EU-Mittelmeer-Anrainern, hin zu einer Form der Zusammenarbeit, die allen 27 EU-Ländern Mitspracherecht einräumt – und die gleichzeitig eine französische Vormachtstellung im neuen Mittelmeer-Club verhindert.

Sarkozy sollte die Regeln endlich lernen

Darum nämlich ging es Sarkozy vor allem – der Grande Nation das Selbstwertgefühl zurückzugeben, sich wieder als Mittelpunkt Europas fühlen zu können. Denn eines hat der umtriebige Präsident durchaus richtig erkannt. Seit dem "Non" der Franzosen zur EU-Verfassung hat sich Frankreich als Mitgestalter Europas verabschiedet – umso besser, dass Sarkozy die rasche Verabschiedung des Reformvertrags so energisch unterstützt hat. Doch das allein reicht nicht: Wenn der mächtige Präsident in Europa etwas erreichen möchte, braucht er Verbündete – und deshalb sollte er endlich lernen, sich mit seinen Verbündeten abzustimmen. Und die sitzen nach wie vor hauptsächlich in Berlin.

Angela Merkel hat recht, wenn sie Sarkozy eine dritte, eine vierte Chance einräumt, auch wenn der sich immer wieder aufs Neue als lernunfähig erweist. Doch anders als Sarkozy hat die Bundeskanzlerin erkannt: Wer Europa wirklich voranbringen möchte, kann nur auf die deutsch-französische Zusammenarbeit setzen. Alleingänge dagegen bewirken genau das Gegenteil: Sie sorgen nicht für Schwung, sondern für Widerstand. Und davon gab es in der EU schon ohne Sarkozy genug.

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