Präsidentschaftskandidat Andres Manuel Lopez Obrador während eines Wahlkampfauftritts in Mexiko-Stadt

Neuer Regierungschef in Mexiko Angetreten, das Land zu ändern

Stand: 07.09.2023 10:28 Uhr

Mexikos neuer Präsident López Obrador hat sich den Kampf gegen Armut, Gewalt und Korruption auf die Fahnen geschrieben. Mit seiner Vereidigung übernimmt erstmals seit Jahrzehnten ein linker Staatschef die Macht.

Die Erwartungen an den Neuen sind hoch: Mit einem historisch guten Ergebnis - mehr als 50 Prozent der Stimmen - gewann Andres Manuel López Obrador die Präsidentenwahl im Juli. Der Kandidat der "Bewegung der Nationalen Erneuerung" hatte den Wechsel versprochen, die Umgestaltung des Landes, und Korruption und Unsicherheit den Kampf angesagt.

Seinen jubelnden Anhängern rief er noch in der Nacht nach der Wahl zu, dass er sie nicht enttäuschen werde. Amlo, wie ihn die Mexikaner abkürzen, früherer Bürgermeister der Hauptstadt, gewann die Wahl mit einer Mehrheit, die ihn in den ersten Stunden selbst zu überwältigen schien.

Politologe Carlos Bravo meint, der neue Präsident habe das Zeug dazu, das Land umzugestalten. "In der mexikanischen Demokratie ist er der erste Präsident, der die absolute Mehrheit der Stimmen bekommen hat, der einzige, dessen Parteienbündnis die Mehrheit im Kongress und im Senat und in den Bundesländern erreicht hat", erklärt er. "So eine starke Position haben wir noch nie erlebt. Vielmehr sind wir an schwache Präsidenten und Regierungen gewöhnt. Allein das ist schon ein Wandel: die Stärke, mit der er die Macht übernimmt."

Fast täglich neue Reformen angekündigt

López Obrador nutzte seine Stärke in den fünf Monaten nach der Wahl und bereits vor dem Amtsantritt. Damit hielt er Mexiko in Atem: Fast täglich kündigten er und sein designiertes Kabinett Reformen an wie die Legalisierung von Marihuana, Renten- und Stipendienprogramme, Ermittlungen gegen korrupte Ex-Präsidenten. Mithilfe einer Volksbefragung stoppte er das Megaprojekt des neuen Hauptstadtflughafens.

Damit habe er klar gemacht, welchen Politikstil er ablehne, so Politologe Bravo. "Der Flughafen war ein Symbol", sagt er. "So wie die Mauer für Trump. Die Menschen konnten ihre Angst oder Hoffnung darauf übertragen. Für Amlo war der Flughafen das Ergebnis einer autoritären Entscheidung seiner Vorgänger, die zeigte, dass sich die politische Macht der wirtschaftlichen unterwirft. Also stoppte er den Bau und sagte, dass Entscheidungen in Zukunft anders getroffen werden. Gut, aber wie dann?"

Ein grundsätzliches politisches Problem dabei ist der Umgang mit der Wirtschaft. Was macht man mit den Investoren? López Obrador trifft sich mit ihnen hinter verschlossenen Türen und hinterher sagen alle: Es gäbe keine Probleme.

Widersprüchliche Sicherheitsstrategie

Die von ihm im Wahlkampf noch verteufelte "Mafia der Macht" hat inzwischen wichtige Funktionen: Einige Unternehmer beraten López Obrador in Wirtschaftsfragen.

Widersprüchlich ist auch seine Sicherheitsstrategie für das gewaltgeplagte Land mit fast 30.000 Mordopfern im vergangenen Jahr. Weil die Armee schon seit fast zwölf Jahren ohne das gewünschte Ergebnis gegen die Drogenkartelle kämpft, und in diesem Einsatz immer wieder Menschenrechtsverletzungen begeht, wollte López Obrador sie von dieser Aufgabe entbinden. So hatte er es im Wahlkampf mehrfach angekündigt. Mit der Armee ließen sich die Probleme nicht lösen, sagte er. Dafür sei die Armee auch nicht da. "Wir werden das Problem der Unsicherheit und der Gewalt lösen, indem wir die Gründe dafür bekämpfen", kündigte er an. "Das ist die menschlichere und effizientere Form. Wir trennen uns von den Rezepten der Vergangenheit. Man kann Feuer nicht mit Feuer löschen."

Mexikanische Polizisten in einem Hubschrauber über Heroica Puebla de Zaragoza nahe Mexiko-Stadt bei der Verfolgung von Kriminellen

Mit der Armee ließe sich Gewalt nicht lösen, sagte López Obrador während seines Wahlkampfs.

Neugründung der Nationalgarde

Doch klingt er heute ganz anders: Zwei Wochen vor dem Amtsantritt überraschte López Obrador Mexiko mit einer Ankündigung: Um das Land zu befrieden, soll unter der Führung der Armee eine neu gegründete Nationalgarde zum Einsatz kommen. Armeeangehörigen sagte er, er habe das vorgeschlagen, weil er der Armee vertraue. "Ein Soldat ist Volk in Uniform", sagte er.

Seinen Schwenk rechtfertigte López Obrador so: Das wahre Ausmaß der Korruption bei Sicherheitskräften wie der Polizei sei ihm nicht klar gewesen. Mexikos Polizisten verdienen Hungerlöhne. Das mache sie bestechlich.

Korrupter mexikanischer Polizeiapparat

Aber statt die Armee mit noch mehr Macht auszustatten, müsse dringend der korrupte Polizeiapparat reformiert werden, fordert Maria Elena Morera von der Nichtregierungsorganisation "Gemeinsames Anliegen". Eine gute Polizei könne man nicht in einer sechsjährigen Amtszeit aufbauen, so Morena. Dafür brauche es mehr Zeit. "In den vergangenen Jahren haben wir gesehen, dass die Politiker kurzfristig denken und nur die nächste Wahl vor Augen haben. Wir Mexikaner haben es nicht geschafft, eine langfristige Sicherheitspolitik zu gestalten. Außerdem mangelt es an Verständnis dafür, dass Sicherheit teuer ist. Die Leute wollen gute Polizisten, die nichts kosten und die Politiker wollen schnelle Ergebnisse", sagt sie.

Doch trotz aller Kritik ist Morera überzeugt: López Obradors Anliegen sei wirklich die tiefgreifende Veränderung. Wenn Mexiko Unsicherheit und Kriminalität in den Griff bekommen wolle, müsse es die extreme Ungleichheit und die Armut bekämpfen, die etwa die Hälfte der Menschen  betrifft. Das will der neue Präsident - allerdings ohne Steuererhöhungen für Reiche.

Der 65-Jährige gibt sich volksnah: Er lässt diverse Volksbefragungen durchführen, etwa über die Nationalgarde oder Renten, und er will ein Staatsoberhaupt zum Anfassen sein. Auf die Präsidentengarde verzichtet er, ebenso auf den Amtssitz Los Pinos. Schutz brauche er nicht, so López Obrador, weil das Volk ihn schütze.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 30. November 2018 um 12:41 Uhr.