Eine Frau besprüht Zelte, in denen Migrantenin Tijuana untergekommen sind, mit Desinfektionsmittel.
Reportage

Migranten in der Corona-Krise Endstation Sehnsucht in Mexiko

Stand: 20.06.2020 01:18 Uhr

Ihr eigentliches Ziel sind die USA - nun sitzen viele Migranten aus Mittel- und Südamerika in Mexiko fest. Zu Hunger und Gewalt kommt in der Pandemie noch das Corona-Infektionsrisiko hinzu.

"La Casa del Migrante" in Tijuana ganz im Norden von Mexiko, an der Grenze zu den USA: Seit Beginn der Corona-Pandemie vor drei Monaten kann Padre Pat Murphy keine neuen Migranten mehr in seiner Herberge aufnehmen. Statt 150 sind es derzeit nur noch 15 Menschen - vorwiegend aus El Salvador und Honduras, die bei ihm Unterschlupf finden.

"Wir konnten den Betrieb nicht wie vorher aufrechterhalten. Auch das Personal ist wegen der Ansteckungsgefahr zuhause geblieben", sagt er. "Erst seit Anfang Juni fangen sie langsam wieder an, hier zu arbeiten - drei Tage die Woche."

Auf die Pandemie sei seine Herberge nicht vorbereitet gewesen: "Wir sind ja kein Krankenhaus. Wir hatten zwei Fälle, um die konnten wir uns gerade so kümmern, weil wir einen Arzt haben. Auch zwei Mitarbeiter haben sich angesteckt und mussten deswegen zuhause bleiben."

In einer vollen Herberge kann Padre Murphy die Menschen nicht vor Corona schützen. Auch die anderen Unterkünfte in Tijuana würden kaum noch Migranten aufnehmen - die hygienischen Bedingungen in den meist überfüllten Herbergen seien katastrophal gewesen, berichtet er.

"Es werden einfach nicht genug Menschen getestet"

In der Grenzregion zu den USA sammeln sich vor allem Leute, die auf mexikanischer Seite auf die Entscheidung der US-Behörden über ihre Asylanträge warten. Im Januar waren es laut offiziellen Zahlen 60.000 Menschen.

Wie viele Migranten derzeit tatsächlich im Land sind, kann niemand sagen, die Behörden arbeiten nicht regulär. Viele von ihnen lebten gezwungenermaßen auf der Straße oder in improvisierten Behausungen, ohne Zugang zu medizinischer Versorgung.

"Wenn die Menschen am Coronavirus sterben, dann bekommen wir das oft gar nicht mit. Sie sind der Pandemie auf der Straße hilflos ausgesetzt", sagt Padre Murphy dazu. "In Tijuana ist die Rede davon, dass es 3000 Corona-Fälle gibt, aber ich denke, es sind viel mehr. Es werden einfach auch nicht genug Menschen getestet."

In den letzten Monaten seien viele Migranten dem Organisierten Verbrechen zum Opfer gefallen, sagt er. Sie würden entführt, erpresst, bedroht. Die Gewalt habe auch in Corona-Zeiten nicht abgenommen - im Gegenteil.

Ramón Funes and Bernard Bejarano aus Honduras sind in einem Mietzimmer in Tijuana untergekommen.

Ramón Funes and Bernard Bejarano aus Honduras sind in einem Mietzimmer in Tijuana untergekommen. Viele Unterkünfte für Migranten mussten während der Pandemie schließen.

Viele Migranten blieben notgedrungen in Mexiko

Ähnliche Verhältnisse beobachtet auch die Amerika-Direktorin von Amnesty International, Erika Guevara Rosas, an der Südgrenze zu Guatemala. Sie kritisiert die Versäumnisse der mexikanischen Behörden. Im April hätten sie die Migranten aus den überfüllten Abschiebelagern entlassen, berichtet sie: "In vielen Fällen wurden die Migranten einfach an der Südgrenze ausgesetzt, damit sie zu Fuß wieder in ihre Heimatländer zurückkehren. Aber die Mehrheit bleibt am Ende in Mexiko."

Honduranern und Salvadorianern blieb ohnehin nichts anderes übrig, denn die Grenze zu Guatemala war für sie wegen der Pandemie geschlossen. Unterstützung von den mexikanischen Behörden bekommen sie nicht, sagt Guevara Rosas:

Es sind die privaten Herbergen, die sich um die Migranten kümmern, die aber nur über sehr begrenzte Kapazitäten und Ressourcen verfügen. Sie übernehmen die Aufgaben, die eigentlich die mexikanischen Behörden übernehmen müssten.

Nach wie vor gibt es viele Abschiebungen

Und auch in Corona-Zeiten wird nach wie vor abgeschoben: Zwischen März und April hätten die mexikanischen Behörden laut offiziellen Zahlen 6836 Migranten nach Mittelamerika deportiert, berichtet Guevara Rosas von Amnesty International. Doch einige Migranten wären so verzweifelt, dass sie von selbst wieder in ihre Heimatländer zurückkehrten.

Es fehlen ihnen schlicht die finanziellen Mittel, um sich über Wasser zu halten, weil sie in der Krise ihren Job verloren haben. In ihren Heimatländern El Salvador, Guatemala und Honduras erwartet sie dann die Quarantäne, bevor sie in ihre Gemeinden zurück dürfen. Dort werden sie oftmals diskriminiert, weil die Menschen Angst vor einer Ansteckung haben.

Doch die Hoffnung auf ein besseres Leben für viele Familien bleibt. Die Probleme in ihren Herkunftsländern haben sich nicht verändert - Korruption, Armut, die Gewalt. Viele werden sich erneut auf den Weg Richtung USA machen, irgendwann wenn ein Ende der Pandemie in Sicht ist.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 19. Juni 2020 um 19:15 Uhr.