
Merkel in China Zwist oder Besuch einer guten Freundin?
Stand: 06.09.2019 05:36 Uhr
In Zeiten wachsender Konfrontation mit den USA werben die Chinesen um die Gunst Merkels. Zugleich gibt es aber zunehmend Konflikte zwischen China und Deutschland, nicht nur im Bereich der Wirtschaft.
Von Axel Dorloff, ARD-Studio Peking
Punkt 9.45 Uhr Ortszeit heute Morgen in Peking: militärische Ehren für Bundeskanzlerin Angela Merkel vor der Großen Halle des Volkes. Zum zwölften Mal besucht Merkel China - diese Schlagzahl hat bislang kein anderer Regierungschef aus dem Westen erreicht. Aber es ist ein schwieriger Staatsbesuch: der Handelskrieg zwischen China und den USA, das Sozialkreditsystem für Unternehmen in China, die Lage der Muslime in Xinjiang - und vor allem: die Proteste in Hongkong. Der 41-jährige Wang Hongliang aus Peking sieht in Merkel eine Verbündete.
"Ich hoffe, dass Frau Merkel in Bezug auf China und Hongkong das Prinzip 'Ein Land, zwei Systeme' unterstützt. Hongkong ist ein Teil von China, dieser Fakt ist unerschütterlich. Ausländische Kräfte dürfen sich nicht gewalttätig einmischen."
Im Vorfeld der Reise hatten Bundestagspolitiker und Menschenrechtler von der Kanzlerin gefordert, klar Stellung zur Situation in Hongkong zu beziehen - und China vor einer gewaltsamen Lösung zu warnen. Demokratie-Aktivist Joshua Wong hatte sogar mit einem offenen Brief um Unterstützung gebeten.
Johann Wadephul, CDU, Auswärtiger Ausschuss, zur China-Reise Merkels
Morgenmagazin, 06.09.2019
Kritische Botschaften werden überhört
Merkel könne das Thema Hongkong im direkten Gespräch mit Chinas Führung zwar ansprechen, sagt der chinesische Deutschland-Forscher Liu Liqun, kritische Botschaften würden aber eher überhört.
"Intern darf man frei und offen Meinungen austauschen. Diese kritischen Punkte sind für China im gewissen Sinne schon wichtig, aber nur als eine andere Stimme, vielleicht nicht so ernst zu nehmen."
Soll heißen: Merkel kann zwar intern kritisieren, das wird aber von der chinesischen Staats- und Parteiführung weggelächelt. Zumal man Hongkong ausschließlich als innere Angelegenheit betrachtet. Trotzdem werben die Chinesen um die Gunst der Kanzlerin.
Chinesische Charme-Offensive Richtung Europa
Vor dem Hintergrund der wachsenden Konfrontation zwischen China und den USA sprechen nicht wenige Diplomaten in Peking von einer chinesischen Charme-Offensive Richtung Europa, vor allem Richtung Deutschland. Das bestätigt Deutschland-Forscher Liu.
"Es gibt im Westen ganz wenige Freunde für China derzeit, schwierig, sehr schwierig. Frau Merkel ist schon eine Ausnahme. Natürlich ist der Konflikt zwischen China und den USA sehr, sehr kompliziert. Aus diesem Grund will China natürlich nicht noch mehr Gegner bekommen."
Unruhen in Hongkong und Handelskrieg mit den USA – zu beiden Themen gab es zuletzt vorsichtige Zeichen einer Deeskalation. Am Mittwoch hatte Hongkongs Verwaltungschefin Carrie Lam angekündigt, mit einem Vier-Punkte-Plan auf die Demonstranten zuzugehen. Auch das umstrittene Auslieferungsgesetz soll vollständig zurückgezogen werden – eine der zentralen Forderung der Demokratie-Aktivisten. Gestern gab China dann bekannt, die Handelsgespräche mit den USA wieder aufzunehmen.
Eklat um deutsche Journalisten
Einen Eklat gab es um die Zulassung der in Peking ansässigen deutschen Journalisten. Die chinesische Seite hatte den Korrespondenten zunächst eine Teilnahme an der Pressebegegnung von Merkel und Ministerpräsident Li Keqiang verweigert. Aus Kapazitätsgründen könnten nur die aus Deutschland mitgereisten deutschen Journalisten teilnehmen, so hieß es. Nach längeren Verhandlungen gab es dann noch vier Zugangspässe.
Es ist das erste Mal, dass die große Mehrheit der in China ansässigen deutschen Korrespondenten von solch einer Pressebegegnung mit der Kanzlerin ausgeschlossen wird. China mauert - der Besuch für Merkel bleibt schwierig.
Zwist oder der Besuch einer guten Freundin?
Axel Dorloff, ARD Peking
06.09.2019 07:22 Uhr
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