Sizilianische Polizisten bei Palermo nach der Festnahme von 14 Mafia-Verdächtigen

Siziliens Unternehmer gegen die Mafia Kein Schutzgeld mehr an die Cosa Nostra

Stand: 04.09.2007 02:38 Uhr

Jahrelang haben sizilianische Unternehmer das Problem mit der Mafia klein geredet. Doch damit ist nun Schluss. Der Arbeitgeberverband geht in die Offensive: Wer weiter Schutzgeld an die Cosa Nostra zahlt, wird aus dem Verband ausgeschlossen.

Jörg Seisselberg ARD-Studio Rom

Von Jörg Seisselberg, ARD-Hörfunkstudio Rom

Für Sizilien und den Kampf gegen das organisierte Verbrechen sei die Ent­scheidung des Unter­neh­merverbands der Beginn einer neuen Zeitrechnung, so Italiens oberster Antimafia-Fahnder Piero Grasso. "Dies ist eine ganz wichtige Wende", sagt er. "Die staatlichen Stellen, zuvorderst die Polizei und die Justiz, müssen diese Initiative, diese Wende, unterstützen", fordert Grasso.

Italiens oberster Mafia-Jäger Pietro Grasso | picture-alliance/ dpa/dpaweb

Italiens oberster Mafia-Jäger Pietro Grasso Bild: picture-alliance/ dpa/dpaweb

Nach Jahrzehnten, in denen die Spitze des sizilianischen Arbeitgeberverbandes die Gefahr durch die Mafia häufig kleingeredet hat, gehen die Unternehmer jetzt in die Offensive. Ihr Beschluss lautet: Alle Firmeninhaber in Sizilien, die in irgendeiner Form mit der Cosa Nostra zusammenarbeiten, werden ab sofort aus dem Unter­nehmerverband ausgeschlossen. "Es wird unmöglich, Mitglied des Unternehmerverbandes zu sein und gleichzeitig Schutzgeld zu zahlen", sagt der sizilianische Chef des Arbeitgeberverbands, Ivan Lo Bello. "Es wird unmöglich, bei uns Mitglied zu sein und gleich­zeitig Kontakt zu kriminellen Organisationen zu haben."

Das Statut des Unternehmerverbandes nennt Kontakt zur Mafia und speziell Schutz­geldzahlungen nun ausdrücklich als Ausschlussgrund - für Sizilien ist dies eine kleine Revolution. Die obersten Arbeit­gebervertreter der Insel, denen Mafiagegner jahrelang Untätigkeit vorgehalten haben, stellen sich erstmals öffentlich gegen die Cosa Nostra. Schutzgeldzahlen an die Mafia gilt nicht länger als Kavaliersdelikt.

Soldaten gegen die Mafia?

Hintergrund der Entscheidung: Schutzgelderpressung durch die Mafia ist ein Problem, das der sizilianischen Wirtschaft die Luft zum Atmen nimmt. In Palermo zahlen nach Schätzungen des Innen­minis­teriums rund 80 Prozent der Einzelhändler Schutzgeld an die Mafia. Ein Unternehmer in der sizilianischen Stadt Caltanissetta, der sich öffentlich geweigert hatte, den Erpressungen der Mafia nachzugeben, erhielt in den ver­gan­­genen Wochen mehrfach Morddrohungen.

Um ehrliche Unternehmer zu schützen und mehr Betrieben auf der Insel Mut zu machen, sich gegen das organisierte Verbrechen zu stellen, fordert Siziliens Unter­nehmerverband nun sogar den Einsatz der Armee gegen die Mafia: "Vielleicht würden wir Unternehmer uns besser geschützt fühlen, wenn die Armee und stärkere Polizeieinheiten signalisierten, dass der Staat Herr des Terri­toriums ist", sagt Vizepräsident Ettore Artioli.

Sizilianische Polizisten bei Palermo nach der Festnahme von 14 Mafia-Verdächtigen

Mehr Polizei im Kampf gegen die Mafia?

Bereits in den 90er Jahren hatte die Regierung in Rom im Kampf gegen die Mafia die Armee nach Sizilien geschickt. Damals trug der Einsatz von Soldaten beispielsweise bei Straßenkontrollen dazu bei, dass nach einer Reihe von Anschlägen der Mafia wieder Ruhe einkehrte.

Unternehmer sein - auf Sizilien eine "Heldentat"

Unterstützung bekommen die sizilianischen Unternehmer vom nationalen Arbeitgeberpräsident Luca de Monte­zemolo: "In Süditalien ist es angesichts der täglichen Bedrohung durch die Mafia heute eine Heldentat, Unternehmer zu sein. Die jetzige Entscheidung des Verbandes ist wichtig und mutig. Sie muss durch den Staat unterstützt werden. Die Sicherheit seiner Bürger zu gewährleisten, ist eine der wichtigsten Auf­gaben jedes Staates."

Während Verteidigungsminister Arturo Parisi zum Einsatz der Armee in Sizilien Nein sagt, betont Justizressortchef Clemente Mastella: Die Diskussion sei noch nicht abge­schlossen. Regierungschef Romano Prodi lobte das öffentliche Nein der sizilianischen Unternehmer zur Mafia als "wunderbares Beispiel".

Schutzgeld: Lukrative Einnahmequelle

Die Schutzgelderpressung ist neben dem Drogen- und Waffenhandel eine der wichtigsten Einnahmequellen der Mafia in Sizilien und anderen Regionen Süditalien. Im Jahr, heißt es im Anti-Mafia-Bericht des Parlaments, kassiert die organisierte Kriminalität durch Schutzgelderpressung in Italien rund zehn Milliarden Euro. Das ist ungefähr so viel wie der weltweite Umsatz des Adidas-Konzerns.