Hintergrund

Das Recht auf Abtreibung in Europa Abtreibungen längst nicht überall erlaubt

Stand: 27.03.2007 21:00 Uhr

Schwangerschaftsabbrüche werden in der EU rechtlich sehr unterschiedlich gehandhabt. Während Frauen in Großbritannien und den Niederlanden bis in den sechsten Monat abtreiben dürfen, gibt es in Irland und Polen Bestrebungen, sogar Abbrüche nach Vergewaltigungen zu verbieten.

Das Recht auf Abtreibung ist in Europa längst nicht überall anerkannt. Zahlreiche europäische Länder erlauben Abtreibungen in den ersten drei Schwangerschaftsmonaten ohne weitere Auflagen, andere erst nach einer so genannten Indikation. In manchen Ländern muss die betroffene Frau belegen, dass eine Austragung des Kindes mit erheblichen Risiken für ihre psychische Gesundheit verbunden ist. In Polen und Irland ist ein Schwangerschaftsabbruch nur möglich, wenn das Leben der Mutter in Gefahr oder die Schwangerschaft Folge einer Vergewaltigung ist. Beide Länder streben an, sogar Abtreibungen nach Vergewaltigungen unter Strafe zu stellen.

Abtreibungsparagraf 218 in Deutschland

In Deutschland sind Schwangerschaftsabbrüche über den Paragrafen 218 geregelt. Am 18. Juni 1974 verabschiedete der Bundestag ein Gesetz, das einen Abbruch innerhalb der ersten zwölf Wochen straffrei machte. Das Bundesverfassungsgericht stoppte diese Fristenregelung jedoch. 1976 trat die Indikationsregelung in Kraft. 1992 wurde der Paragraf 218 erneut reformiert, um nach der Wende eine gesamtdeutsche Lösung zu schaffen. In der DDR hatte seit 1972 ein Recht auf Schwangerschaftsabbruch bis zur 12. Woche bestanden. Ab 1992 galt bundesweit eine Fristenregelung mit Beratungspflicht, die einen Abbruch legal machte. Erneut legte Karlsruhe aufgrund von Klagen aus der Union ein Veto ein. 1995 beschloss das Parlament das heute geltende „Schwangeren- und Familienhilfeänderungsgesetz“. Seither ist eine Abtreibung bis zur zwölften Woche der Schwangerschaft zwar rechtswidrig, aber dennoch straffrei.

Betroffene Frauen brauchen für eine Abtreibung die Bescheinigung einer anerkannten Beratungsstelle. Nicht rechtswidrig ist der Eingriff, wenn eine Vergewaltigung vorliegt. Ist das Leben der Mutter in Gefahr oder das erwartete Kind schwer behindert oder krank, ist eine Abtreibung in Deutschland auch nach der zwölften Woche noch möglich.

Frankreich: Seit 1974 Recht auf Abtreibung

In Frankreich ist Abtreibung seit 33 Jahren erlaubt. Es bedurfte jedoch vieler Kämpfe, um ein solches Gesetz zu erreichen. Galionsfigur für ein Abtreibungsgesetz war Simone Veil, die 1974 eine Gesetzesvorlage vor der Nationalversammlung durchsetzte. Das nach ihr benannte „Veil-Gesetz“ räumte den Frauen fortan Wahlfreiheit ein. Sie mussten zwar eine Zwangsberatung in Anspruch nehmen, konnten aber bis zur zehnten Schwangerschaftswoche allein über eine Abtreibung entscheiden.

2001 wurde die Zwangsberatung abgeschafft und die Frist von zwölf auf 14 Wochen verlängert. Zu einem späteren Zeitpunkt ist ein Abbruch nur möglich, wenn gesundheitliche Gefahren für Mutter oder Kind bestehen.

Die wichtigste Änderung seit dem „Veil-Gesetz“ war die Zulassung der Abtreibungspille Mifegyne „RU-486“ im Jahr 1988. Das Medikament ermöglicht einen Abbruch bis zum 49. Tag nach der letzten Periode ohne chirurgischen Eingriff. Mifegyne wird allerdings nur unter strenger ärztlicher Aufsicht eingenommen. Das Medikament ist in den meisten europäischen Ländern seit 1999 zugelassen.

Liberale Gesetze in Niederlanden und Großbritannien

Die Niederländer haben eine sehr liberale Gesetzgebung in punkto Abtreibung und waren viele Jahre das wichtigste Land für „Abtreibungstourismus“. Schwangerschaftsabbrüche sind bis zur 22. Woche völlig legal, leicht zugänglich und für jede in den Niederlanden wohnhafte Frau kostenlos. In Kliniken werden Abbrüche sogar bis zur 24. Woche durchgeführt. Dennoch ist die Zahl der Abtreibungen sehr niedrig. Das liegt an einer guten Präventionsarbeit. Die Kosten für Verhütungsmittel sind beispielsweise durch die medizinische Grundversicherung gedeckt und für einen Großteil der Bevölkerung kostenlos.

Auch das britische Abtreibungsrecht ist äußerst liberal. Bis zur 24. Woche gilt eine weit gefasste medizinische Indikation, die auch die soziale und wirtschaftliche Situation der Frau berücksichtigt. Eine Beratungspflicht gibt es nicht. Bei strenger medizinischer Indikation ist der Abbruch sogar bis zum Ende der Schwangerschaft straffrei.

Spanien: Psychische Gesundheit muss gefährdet sein

Zehn Jahre nach dem Tode Francisco Francos verabschiedete das katholische Spanien 1985 das erste Gesetz zur Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen. Heute sind Abtreibungen in Spanien bis zur 24. Woche erlaubt, eine Regelung, die weit über die Fristen der meisten anderen europäischen Länder hinausgeht. Doch abtreibungswillige Frauen müssen mit einem psychiatrischen Gutachten belegen, dass ihre geistige Gesundheit gefährdet ist.

Portugal will Abtreibungsrecht liberalisieren

Bis vor kurzem hatte Portugal ein äußerst strenges Abtreibungsrecht. Schwangerschaftsabbrüche wurden als Straftat behandelt und mit bis zu drei Jahren Haft geahndet. Erlaubt waren sie nur, wenn eine Frau vergewaltigt worden war, ihr Leben in Gefahr war oder dem Kind schwere Behinderungen drohten. Dies führte dazu, dass jedes Jahr rund 20.000 Portugiesinnen illegale Abtreibungen in heimischen Kliniken oder teure Abbrüche im Nachbarland Spanien vornehmen ließen. Nach einem Referendum beschloss die Regierung am 9. März eine deutliche Liberalisierung. Schwangerschaftsabbrüche sollen bis zur zehnten Woche straffrei sein. Die rechtskonservative Volkspartei droht jedoch mit einer Verfassungsklage, falls Präsident Aníbal Cavaco Silva das Gesetz wie erwartet in den nächsten Wochen unterzeichnet.

Verbote in Irland und Polen

Die restriktivsten Abtreibungsgesetze gibt es derzeit in Irland und Polen. Abbrüche sind nur bei Vergewaltigung, Inzest, bei einer Lebensgefährdung der Frau oder schweren Missbildungen des Fötus möglich. 2002 wollte die irische Regierung das Abtreibungsverbot per Referendum sogar noch weiter verschärfen, scheiterte jedoch damit. 50,4 Prozent der Iren votierten dagegen, den Schwangerschaftsabbruch selbst nach einer Vergewaltigung oder trotz drohender Selbstmordgefahr einer Mutter zu verbieten. Ähnlich ist die Lage in Polen. Auch dort fordern die ultrarechte katholische Liga Polnischer Familien (LPR) und die rechtspopulistische Partei Samoobrona, auch Abtreibungen nach Vergewaltigungen unter Strafe zu stellen.