Start der Operation "Nautilus" Hilflose EU-Maßnahme gegen Flüchtlingsboote

Stand: 25.06.2007 14:31 Uhr

Auf dem Mittelmeer hat die Operation "Nautilus" begonnen, mit der die Europäische Union gegen Menschenschlepper und Flüchtlinge auf dem Mittelmeer vorgehen will. Aus Brüssel wurde dies als die in diesem Jahr wichtigste Maßnahme gegen das Flüchtlingsproblem angekündigt. Die traurige Realität: Nur wenige EU-Staaten beteiligen sich, die Operation droht zum peinlichen Reinfall zu werden.

Von Jörg Seisselberg, ARD-Hörfunk Rom, zur Zeit auf Malta

Das Such- und Rettungsboot "Melitta 1" kreuzt vor der Küste Maltas. Es weht kaum Wind, das Mittelmeer ist glattgestrichen. Major Ivan Consiglio, der auf der Kommandobrücke dem Funkverkehr lauscht, weiss: Das ist "Flücht­lingswetter". Erst vor wenigen Tagen haben die Marinesoldaten der "Melitta 1" mehr als zwei Dutzend Afrikaner aus Seenot gerettet: "Als wir ankamen, drang bereits Wasser ins Boot. Unsere Männer mussten sehr schnell handeln und konnten alle 25 Menschen retten." Consiglio ist sicher: "Wären wir nicht so rasch dort gewesen, wären diese auf dem Mittelmeer alleingelassen Menschen, die überwiegend aus Schwarzafrika stammten, wahrscheinlich ertrunken."

Wichtigste EU-Maßnahme auf dem Mittelmeer

Die maltesische Besatzung der "Melitta 1" macht ab heute mit bei der "Operation Nautilus". Die Europäische Union will im Kampf gegen die illegale Einwan­derung ein Zeichen setzen. An der Grenze der libyschen Hoheitsgewässer sollen Flüchtlings­boote frühzeitig aufgespürt und zurück­gedrängt werden. Die Opera­tion gilt als die in diesem Jahr wichtigste EU-Maß­nahme auf dem Mittelmeer, um Menschen­schlepper und Flüchtlinge abzuschrecken.

Von Malta aus soll die Aktion koordiniert werden. Dort allerdings herrscht bereits Frust. Viel zu wenig EU-Länder, klagt Maltas Marinekommandeur Martin Cauchi-Inglott, beteiligten sich an der Operation "Nautilus": "Bedauerlicherweise haben wir nicht die Menge an Material erhalten, die wir benötigen. Vielleicht gibt es genug Hubschauber und Flug­zeuge, aber es gibt nicht genügend Schiffe." Die Folgen, so Cauchi-Inglott: "Möglicherweise werden wir also die Flüchtlingsboote, die auf dem Weg nach Europa sind, orten können. Aber wenn wir nicht genügend Schiffe haben, können wir nicht rausfahren und handeln."

Malta schickt seine gesamte Marine: Neun Schiffe

Die bisherigen Zusagen der europäischen Partner für die prestigeträchtige Operation sind kläglich. Zwar stellt das kleine Malta, das mit am stärksten vom Flücht­lingsproblem betroffen ist, alle neun Schiffe seiner Marine. Aus den meisten anderen EU-Staaten dagegen kommt wenig bis nichts. Nur zwei Länder, sagt Marinekommandeur Cauchi-Inglott, schicken Schiffe, und das auch nur für einen sehr begrenzten Zeitraum: "Die einzigen anderen Staaten, die Schiffe zur Verfügung gestellt haben sind Griechen­and, für zehn Tage, und Spanien für eine Woche."

Deutschland beteiligt sich nach Angaben des Innenministeriums in Berlin für rund eine Woche mit zwei Hub­schaubern. Frankreich und Italien stellen jeweils ein Fluggerät, allerdings nur für wenige Tage. Wohlgemerkt für eine Operation, die eigentlich bis Oktober dauern soll. Die Operation "Nautilus" droht so zum Rein­fall zu werden, bevor sie richtig begonnen hat.

Flüchtlinge buchstäblich zu allem entschlossen

Völlig unklar ist auch, ob der Plan der europäischen Grenzschützer funktio­nie­ren kann, die meist aus Libyen kommenden Flüchtlingsboote zurückdrängen, wenn sie trotz der geringen Ausstattung der Meeresfahnder gestellt werden. Der 28 Jahre alte Wasimi aus Somalia, vergangenes Jahr als Bootsflüchtling auf Malta gelandet, sagt, keiner der Flücht­linge, der in Libyen ein Boot betritt und dafür viel Geld bezahlt hat, sei bereit auf dem Meer umzukehren: Es gibt keinen Weg zurück, du musst vorangehen, auch wenn dein Boot in Schwierigkeiten ist. Wenn Du nach Libyen zurück­gehst, kommst du ins Gefängnis. Und bevor du in Libyen ins Gefängnis kommst, ziehst Du vor zu sterben."

Die europäischen Grenzschützer dürfen nur seetüchtige Boote zurückdrängen. Befinden sich die Flüchtlinge auf dem Meer in Not – was häufig der Fall ist –, sind die Grenzschützer laut Seerecht verpflichtet, sie zu retten und an Bord zu nehmen.