Interview mit ARD-Korrespondent Rolf-Dieter Krause "Das EU-Parlament hat völlig Recht"

Stand: 25.08.2007 22:44 Uhr

Im Dezember einigten sich die europäischen Staats- und Regierungschefs nach langem Gerangel endlich auf einen EU-Haushaltsplan für die nächsten sieben Jahre. Diesen Entwurf hat nun das EU-Parlament mit überwiegender Mehrheit abgelehnt. Zu Recht, meint ARD-Korrespondent Rolf-Dieter Krause.

tagesschau.de: Die Abgeordneten im EU-Parlament haben den mühsam ausgehandelten Kompromiss zum EU-Haushalt wieder verworfen. Werden sie zu Recht nun von einigen Seiten als Buhmann erklärt?

Rolf-Dieter Krause: Nein, sie haben nur ihre Verantwortung übernommen. Der Haushaltskompromiss ist ein schwacher Kompromiss. Er zementiert das, was ganz Europa an der EU nicht leiden kann, vor allem die Agrarsubventionen. Alles, was zusammengestrichen wurde, sind die Zukunftsausgaben. Insofern hat das Parlament völlig Recht. Wenn man sich ansieht, was für eine überwältigende parteiübergreifende Mehrheit dagegen gestimmt hat, dann muss man das auch ernst nehmen. Selbst wenn die nationalen Regierungen versuchen, Druck auf "ihre“ Abgeordneten auszuüben und diese Mehrheit bröckeln sollte, so ist sie immer noch enorm groß.

"Der EU-Etat ist lächerlich gering"

tagesschau.de: Was will und was kann das Parlament ihrer Meinung nach durchsetzen?

Krause: Ich glaube, dass man eine leichte Anhebung des Gesamtbudgets verhandeln kann. Mit weniger wird sich das Parlament wohl auch nicht begnügen.

tagesschau.de: Gibt es denn überhaupt noch Verhandlungsspielraum? Die Agrarbeihilfen etwa sind bereits bis 2013 festgelegt.

Krause: Das Parlament besteht ja nicht aus Dummköpfen. Sie wissen durchaus, dass sie von den Regierungen, die alle zuhause knapsen, nicht wesentlich mehr Geld bekommen werden. Sie werden versuchen, auf ein paar Dingen zu bestehen. Es wird eine leichte Erhöhung des Volumens geben, denke ich. Es wird Umschichtungen im Etat geben müssen – weg von der Agrarpolitik hin zu den Zukunftsaufgaben Europas. Und vor allem ist ja verabredet worden, dass über eine gründlichere Reform des EU-Haushalts nachgedacht werden soll. Und da sagen die Parlamentarier, wir als demokratisch gewählte Vertreter der Europäer wollen daran beteiligt werden. Denn sie haben durchaus eigene Vorstellungen dazu. Und ich glaube, sie vertreten diese auch zu Recht.

Gerade bei diesem schrecklichen Gerangel im letzten Jahr hat sich gezeigt, dass Demokratie durchaus das praktischere Verfahren ist. Die EU-Regierungen haben sich hier um Beträge gestritten, die sie in ihren Heimatländern Dutzende von Malen für wirklich sinnloses Zeug vergeuden. Und hier in Europa haben sie getan, als hinge ihr Leben davon ab. Der Gesamtetat der EU liegt ungefähr bei 100 Milliarden Euro. Das bringen die Bundesländer Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bayern ungefähr gemeinsam aufs Tapet. Es ist ein lächerlich geringer Etat, der aber Dinge meistern soll wie die Forschung in Europa weiterzubringen, die Erweiterung zu verkraften und Europas Rolle als friedensstiftende Macht in der Welt zu stärken.

tagesschau.de: Wie geht es denn jetzt konkret weiter? Wer verhandelt mit wem?

Krause: Der nächste Schritt wird sein, dass sich der Ratsvorsitzende, der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, ein Mandat im Ministerrat holt für die Verhandlung im so genannten Trilog mit Parlament und Kommission. Dann werden sich die drei Präsidenten treffen und einen Auftrag an die Arbeitsebene geben – verhandeln werden daraufhin voraussichtlich die Haushaltskommissarin, der Vorstand des Haushaltsausschusses des Parlaments und der Finanzminister der Präsidentschaft – in dem Fall der österreichische Finanzminister.

"Das Parlament sitzt am langen Hebel"

tagesschau.de: Was wäre die Konsequenz, wenn es zu keiner Einigung kommt?

Krause: Das Parlament sitzt an einem langen Hebel. Wenn es dieser 7-Jahres-Finanzplanung nicht zustimmt, dann muss jährlich über den Haushalt verhandelt werden. Und wenn es da wieder keine Einigung gibt zwischen Rat und Parlament, wird der letzte vereinbarte Haushalt als Maßstab genommen, gezwölftelt und dann monatsweise ausgegeben. Das aber ist mehr, als die Staats- und Regierungschefs der EU zugestanden haben. Da sie das auf keinen Fall wollen, werden sie schon kompromissbereit sein.

Die Fragen stellte Carolin Ströbele, tagesschau.de