Kommentar Will Brüssel Europas Bürger manipulieren?

Stand: 25.08.2007 21:49 Uhr

Mit einer neuen Kommunikationsstrategie will die EU-Kommission künftig die Bürger direkterreichen und selbst journalistisch tätig werden. DieVizepräsidentin der Kommission, Margot Wallströmverteidigte erneut die Pläne ihrer Behörde für einen Ausbau des Fernsehsenders EbS. Die Idee einer europäischen Nachrichtenagentur scheint allerdings vom Tisch.

Von Rolf-Dieter Krause, Leiter des ARD-Studios Brüssel

Was für ein Eigentor! Da will die EU-Kommission die Kluft zwischen der europäischen Politik und Europas Bürgern besser überbrücken, aber was sie vorschlägt, dokumentiert vor allem eins: Nämlich wie sehr sich die Brüsseler Kommissare von der Lebenswirklichkeit Europas entfernt haben.

Das Grundproblem ist alt: Den meisten Bürgern Europas erschließt sich nicht, was sich da in Brüssel abspielt, wer auf welche Weise Einfluss ausübt, wer die Macht hat, wie man die Politik - etwa bei Wahlen - zur Verantwortung ziehen könnte oder welchen Sinn manche der Brüsseler Regelungen haben.

Es gebe also auf dem Gebiet der Kommunikation einiges zu tun. Aber was ist die Idee der Kommission? Sie will selbst journalistisch tätig werden. In ihrer jetzt vorgestellten neuen Kommunikationsstrategie erwägt sie ernsthaft die Gründung einer eigenen Nachrichtenagentur. Und zugleich will sie künftig fertige Fernsehbeiträge produzieren, die dann von Europas Fernsehsendern kostenlos ausgestrahlt werden sollen.

Manipulation statt Information

Man ahnt schon, wie kritisch und unabhängig diese Berichte sein werden. Um es klar zu sagen: Die Kommission will die Bürger nicht informieren, sondern manipulieren, und sie will Steuergelder missbrauchen, um die Finanznot vieler Medien auszunutzen. Schon heute gibt es TV-Sender in Europa, die fremdfinanzierte Programme ausstrahlen, ganz einfach, weil sie sich die eigene Produktion nicht leisten können.

Diese Strategie der Kommission ist in der Tat langfristig angelegt. Schon heute finanziert die EU mit Millionenbeträgen den Fernsehsender "Euronews", der zwar auch andere Geldquellen hat, aber ohne das Brüsseler Geld wohl kaum überleben könnte. Ergebnis: Mit allzu kritischen Berichten über die europäische Politik ist "Euronews" bisher nicht aufgefallen, was auch nicht dadurch besser wird, dass kaum einer hinguckt.

"Wir arbeiten im Auftrag der EU-Kommission"

Ein anderes Beispiel: Wir im ARD-Studio Brüssel erhalten nahezu wöchentlich Angebote von privaten TV-Produktionsfirmen, die uns komplette Berichte anbieten, die wir kostenlos ausstrahlen können. Wenn wir fragen, woher sie finanziert werden, ist die Antwort regelmäßig dieselbe: "Wir arbeiten im Auftrag der EU-Kommission". Wir lehnen diese Angebote natürlich ab.

Zusätzlich unterhält die EU einen eigenen Satellitenkanal: "Europe by Satellite" (EbS). Bislang strahlt dieser Kanal nur Live-Bilder von Pressekonferenzen und von Sitzungen des Europäischen Parlaments aus. Das ist noch hinnehmbar: Es sind Originalbilder, roh und unbearbeitet. Aber selbst damit soll der unabhängige Journalismus behindert werden: Schon mehrfach unternahmen Kommission und Ministerrat den Versuch, unabhängige Kameras auszuschließen mit dem Hinweis "Ihr könnt ja die Bilder von EbS nehmen".

Es bedurfte des gemeinsamen Widerstands der Brüsseler Korrespondenten von ARD, BBC und allen anderen bis hin zum ZDF, um diesen Angriff auf die Pressefreiheit abzuwehren. Denn zur Pressefreiheit gehört auch, dass die Journalisten selbst ihre Informationen sammeln können. Und beim Fernsehen gehören die Bilder nun mal zu den Informationen.

Ein wahnsinniger Plan

In einem neuen ersten Schritt will die Kommission nun also auf EbS fertige Berichte verteilen, die dann von anderen TV-Sendern ausgestrahlt werden sollen. Wenn Zuschauer dann Berichte über die Europapolitik sehen, werden sie nicht mehr wissen, ob unabhängige Journalisten diese Berichte gemacht haben oder ob sie Propagandamärchen serviert bekommen.

Ein wahnsinniger Plan, denn so wird auch der seriöse Journalismus in Zweifel gezogen, die wichtigste Brücke, die es zwischen Brüssel und Europas Bürgern noch gibt. Wir von der ARD werden uns an so etwas nicht beteiligen. Vielmehr hoffen wir, dass der Protest stark genug sein wird, damit die Kommission diese Pläne aufgibt. Die EU wird die Bürger nicht gewinnen, indem sie sie manipuliert.