EU-Außenminister in Klausur Was tun mit der EU-Verfassung?

Stand: 27.05.2006 15:34 Uhr

Seit Franzosen und Niederländer vor einem Jahr die EU-Verfassung ablehnten, liegt das Vertragswerk auf Eis. An das damit verbundene Ziel, Europa politisch zu erneuern, haben sich die EU-Politiker bisher nicht rangewagt. Die Außenminister beraten nun zwei Tage lang über die Zukunft der Union.

Von Michael Becker, MDR-Hörfunkstudio, Brüssel, zurzeit Wien

Der Ort ist genau so symbolträchtig gewählt wie der Zeitpunkt: Hinter dicken Klostermauern gehen die Außenminister der EU in Klausur, um über die Zukunft Europas zu beraten. Und das exakt ein Jahr, nachdem die Franzosen dieser Zukunftsplanung einen Strich durch die Rechnung gemacht haben. Mit der EU-Verfassung sollte die EU rundum erneuert werden. Ihre Institutionen sollten schlanker, Entscheidungen einfacher und transparenter werden. Das Europa-Parlament sollte mehr Rechte bekommen. Kurz: Die EU sollte zukunftsfähig werden, fit für bald 27 Mitglieder.

Ist die EU-Verfassung überhaupt zu retten?

Doch die Franzosen sagten "Nein" zu dem Projekt - und die Niederländer setzten kurz danach ein zweites "Nein" oben drauf. Seitdem herrscht große Ratlosigkeit in Europas Hauptstädten. Bis heute weiß niemand, wie und ob die EU-Verfassung noch zu retten ist. "Wir brauchen eine klare Ansage aus Frankreich und den Niederlanden, ob sie die Verfassung ratifizieren werden oder nicht", meint der dänische Premierminister Anders Fogh Rasmussen.

Dänemark hat die Volksabstimmung über die EU-Verfassung erst einmal gestoppt - genau so wie andere EU-Länder auch. Doch eine klare Ansage aus Frankreich und den Niederlanden wird es vorerst nicht geben. Erst im Frühjahr kommenden Jahres könnte Bewegung in die festgefahrene Situation kommen: Dann wählen die Franzosen einen neuen Präsidenten und die Niederländer eine neue Regierung.

Deutschland könnte Schlüsselrolle spielen

Deutschland hat ab 1. Juli 2007 den Vorsitz in der EU, könnte dann also eine Schlüsselrolle spielen bei der Frage, was aus der Verfassung werden soll. Bundeskanzlerin Merkel will die Verfassung nach Möglichkeit retten. Die warnt aber auch vor Schnellschüssen: „Weil die Interessen so unterschiedlich sind, bin ich dagegen, jetzt einen Schnellschuss zu machen, mit dem wir nicht weiter kommen." Die EU müsse überlegen, wie das Projekt des Verfassungsvertrages zu einem Erfolg geführt werden könne.

Jetzt geht es deshalb vor allem darum, die Diskussion über die Zukunft der EU-Verfassung so weit voranzubringen, „dass die deutsche Ratspräsidentschaft Mitte des kommenden Jahres dann in der Lage ist, einen operativen Vorschlag zu machen, der von allen Mitgliedstaaten getragen wird“, so Außenminister Frank-Walter Steinmeier. Wie dieser Vorschlag aussehen könnte, steht bis jetzt noch in den Sternen. Denkbar wäre, umstrittene Teile aus der EU-Verfassung heraus zu nehmen - etwa den Teil, der der EU mehr Kompetenzen in der Innen- und Justizpolitik gibt. Wie auch immer die Lösung aussehen könnte: Am Ende müssen alle EU-Länder zustimmen.

Deshalb geht es auch nicht nur um die EU-Verfassung, sondern noch um etwas anderes: Das Projekt EU muss wieder populärer werden, damit bei künftigen Volksabstimmungen nicht wieder ein "Nein" zu Europa herauskommt. Auch darüber werden die EU-Außenminister beraten. Wie heißt es so schön: Der Weg ist das Ziel.