Gipfeltreffen in Brüssel EU sucht Wege aus dem Jammertal

Stand: 15.06.2006 21:03 Uhr

Die Staats- und Regierungschefs der  Europäischen Union wollen vor den Europawahlen 2009 endgültige Klarheit über den umstrittenen EU-Verfassungsvertrag schaffen. Große Hoffnungen setzen sie dabei auf die Anfang 2007 beginnende deutsche EU-Ratspräsidentschaft. 

Bundeskanzlerin Angela Merkel hat die EU-Staats- und Regierungschefs dazu aufgerufen, in den kommenden zwei Jahren den Weg für die EU-Verfassung zu ebnen. Bis Ende 2008 müsse Klarheit über die Zukunft des Vertrags herrschen, sagte die Kanzlerin in Brüssel zum Auftakt des EU-Gipfels. Auch andere Politiker warben dafür, bis zu den Europawahlen 2009 mit einer Verfassung die politische Lähmung zu verhindern.

Die österreichische Außenministerin Ursula Plassnik warnte als Vertreterin der EU-Ratspräsidentschaft vor zu hoch gesteckten Erwartungen an den Gipfel: "Es wird keine Wunder geben", sagte sie.

Ein Schritt zur Wiederbelebung der Verfassung

Die EU-Verfassung liegt auf Eis, seit Franzosen und Niederländer sie vor rund einem Jahr in Referenden abgelehnt hatten. Das soll auf dem Gipfel in Brüssel geändert werden. Für die Debatte legte die Österreichische Ratspräsidentschaft einen Entwurf vor, wonach zum Ende des deutschen Ratsvorsitzes im Juni 2007 mögliche Wege aus der Verfassungskrise aufgezeigt werden sollen. Bis zum zweiten Halbjahr 2008 soll der Reformprozess abgeschlossen sein.

Die Länder, in denen die Ratifizierung noch nicht erfolgt sei, sollten in den kommenden Monaten Vorschläge auf den Tisch legen, forderte der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel. "Nach der Reflexionsphase braucht es jetzt Resultate", unterstrich Schüssel. Als Möglichkeiten zur Rettung der Verfassung nannte er unter anderem einen neuen Namen oder eine Sozialerklärung als Anhang zu dem Vertrag.

"Adieu Tristesse"

Zugleich warb Schüssel für ein Eintreten gegen den vorherrschenden Euro-Pessimismus. Das Motto für den Gipfel müsse "Adieu Tristesse" lauten. Nach dem "großen Jammern" wegen der gescheiterten Referenden solle Europa stärker auf seine Erfolge verweisen, sagte Schüssel. Auch der italienische Regierungschef Romano Prodi sagte zum Auftakt des Gipfels, Europa müsse die "Welle des Euroskeptizismus" bekämpfen, die den Kontinent in den vergangenen Jahren überspült habe.

Der Präsident des Europäischen Parlaments, Josep Borrell, warnte die EU-Staats- und Regierungschefs vor einem politischen "Teufelskreis". Die vor einem Jahr verordnete "Zeit der Reflexion" über die Verfassung gehe zu Ende, ohne dass es zu einem Konsens über die Zukunft des Vertrags gekommen sei, "und ohne dass man einen Plan B gefunden hat".

Weiteres Gipfelthema neben der Verfassung ist die Strategie der künftigen Erweiterung der Union. Parallel dazu wollen die Außenminister über die Beziehungen zu Serbien sowie über die nach Südeuropa drängenden Flüchtlinge aus Afrika beraten. Schüssel will morgen vor der Presse die Beschlüsse erläutern. Dazu wird auch die Aufnahme Sloweniens in die Eurozone gehören.