Österreichischer EU-Ratsvorsitz geht zu Ende Mehr Atmosphäre als Inhalte?

Stand: 30.06.2006 12:21 Uhr

Mehr als kaiserliches Ambiente und Opernball: Die österreichische EU-Ratspräsidentschaft hat handfeste Erfolge vorzuweisen. Das Budget für die nächsten Jahre ist verabschiedet, die Dienstleistungsrichtlinie ebenso. Dass auch die Stimmung in der EU entspannter ist, gehört für Wien zur Ehrensache.

Die Stimmung in der Europäischen Union ist in dem vergangenen halben Jahr besser geworden - wie sollte es auch anders sein, unter österreichischem Ratsvorsitz. Aber trotz der Klischees wie Wiener Kongress und Opernball: Kaiserliches Ambiente und Königliche Gastfreundschaft waren zwischen Hofburg und Schönbrunn bei weitem nicht alles. Immerhin haben die Staats- und Regierungschefs in den vergangenen Monaten wieder über die schon tot geglaubte europäische Verfassung geredet, ebenso über die Aufnahme weiterer EU-Mitglieder.

Erfolge bei Dienstleistungsrichtlinie und EU-Budget

In einigen Bereichen kann der scheidende Ratsvorsitzende, der österreichische Bundeskanzler Wolfgang Schüssel, sogar handfeste Ergebnisse vorweisen: "Wir haben die Dienstleistungsrichtlinie, diesen Albtraum der Arbeiter und vieler kleinerer Unternehmen so entschärft, dass es ein vernünftiges Arbeitsinstrument geworden ist."

Das gilt natürlich auch für das EU-Budget. Ende letzten Jahres hatte der viel gescholtene britische Ratsvorsitz eine Einigung zwischen den Mitgliedsstaaten erreicht. Die Österreicher legten letzte Hand an, packten noch etwas drauf und sicherten sich so die Unterstützung des Europa-Parlaments. Das Budget für die nächsten sieben Jahre steht, die Krise um die europäische Verfassung ist zwar noch nicht ausgestanden, sie wirkt aber nicht mehr so bedrohlich.

Der österreichische Kanzler hatte es schon vor Beginn des Ratsvorsitzes geahnt, sehr viel mehr würde sich nicht erreichen lassen. "Die Präsidentschaft ist nicht die Zeit, wo man Europa total umkrempeln kann", so Schüssel vor seiner Amtszeit. Der Österreicher hält sich viele kleine Erfolge zugute. Manches könnte man fast übersehen: Die europäischen Sportminister haben über Sport, Tourismus und das Alter geredet, die Justizminister überholten die EU-Zustellverordnung für juristische Schriftstücke, die Verkehrsminister sprachen über die Verlagerung von Gütertransporten auf die Seekurzstrecke.

Österreich erfreut über skandalfreie Zeit

Im Gegensatz zum ersten österreichischen EU-Vorsitz gab es diesmal keinen peinlichen Streit darüber, wer Ratsvorsitzender ist, Außenministerin oder Kanzler. Meinungsumfragen belegen, dass die meisten Österreicher mit dem Ratsvorsitz zufrieden sind. Von der Vorteilen der Europäischen Union sind dennoch nicht alle Österreicher überzeugt. "Wir sind nicht mehr eigenständig", "einen Teils ist’s ganz gut, aber man muss sich auch ärgern" - auch diese Stimmen kann man im Land hören.

Dabei hatte Österreich auch hier Schwerpunkte gesetzt. Auf einer Internet-Plattform konnten genervte Europäer Dampf ablassen oder die EU loben. "Europa hört zu" hieß die Initiative. Anlässlich des Europatags wurden Literaturveranstaltungen in Caféhäusern durchgeführt, Schulklassen entwickelten Radiospots und der Ratsvorsitz versuchte durch Fernsehspots für Europa zu werben: "Jetzt frag‘ ich euch, was hat die EU uns gebracht...... . Glaubt’s doch was ihr wollt’s!"

Offenes Bekenntnis zur Vorteilssuche

Die Kritiker sind nicht verstummt, dabei hatten österreichische Minister immer wieder deutlich gemacht, dass sie den Vorsitz nutzten, um Vorteile für die Republik herauszuschlagen, Förderungen für den ländlichen Raum zum Beispiel. In bestimmten EU-Staaten wären solche Hinweise tabu - in Österreich nicht. Das könnte auch damit zusammenhängen, dass hier im Herbst der Nationalrat gewählt wird.

Dass sich der österreichische Ratsvorsitz immer wieder mal unüberhörbar lobte, ist zumindest erfahrenen EU-Diplomaten aufgefallen. Nun, gegen Ende kann davon keine Rede mehr sein: "Ich glaube, wir haben ein Stück des EU-Teppichs weitergewoben", so Schüssel bescheiden: "Die Finnen werden das genauso gut machen wie wir".