Interview

Gespräch mit Afrika-Experte Tetzlaff Bildung und Geld gegen "Diebe der Herrschaft"

Stand: 25.08.2007 17:57 Uhr

40 Prozent aller aktuellen Kriege auf der Welt werden in Afrika geführt. Der Kontinent hat die höchste Aidsrate. Korruption und instabile Regierungen treiben viele Staaten südlich der Sahara immer tiefer in den Ruin. Der Afrika-Experte Rainer Tetzlaff zeichnet kein rosiges Bild von Afrika im Gespräch mit tagesschau.de. Ein paar Lichtblicke und vor allem Entwicklungsmöglichkeiten sieht er durchaus.

Von Nea Matzen, tagesschau.de

Von der "Herrschaft der Diebe" spricht Rainer Tetzlaff, Politologe an der Universität Hamburg, wenn er zum Beispiel die Geschichte des zentralafrikanischen Staates Zaire unter der Herrschaft Mobutos skizziert. Ein skrupelloser Militär, der das Land zugunsten einer kleinen Clique ausgebeutet habe. Auf dem afrikanischen Kontinent sei diese Form der Herrschaft kein Einzelfall, sagt der Afrika-Experte gegenüber tagesschau.de. Trotz Rohstoffreichtums liege in diesen Staaten die Wirtschaft danieder und die Bevölkerung verarme. Nicht die Kolonialgeschichte oder die Welthandelsbedingungen seien für diese katastrophalen Zustände verantwortlich, sondern meistens seien die Probleme "hausgemacht" – durch schlechtes Regieren.

"Bedingungen sind legitim"

"Gutes Regieren" – im Fachjargon auf Englisch: "good governance" – ist denn auch laut Tetzlaff die Leitlinie für sinnvolle Entwicklungspolitik. "Von den 48 Staaten südlich der Sahara sind 32 sehr stark abhängig von externen Entwicklungshilfegeldern", erklärt er. Das seien Steuergelder aus Europa und die dortigen Regierungen müssten verantworten, wofür sie ausgegeben werden.

Deshalb sei es legitim, Bedingungen daran zu knüpfen, solange die Empfängerländer "keine voll entwickelten Demokratien sind". Später könne man es sicher auch der Bevölkerung vor Ort überlassen, ihre Regierungen zu kontrollieren. Ein demokratischer Rechtsstaat, in dem nur der Staat das Gewaltmonopol notfalls ausüben dürfe, sei die Grundlage für wirtschaftliches Fortkommen.

Botschafter für eine Zivilgesellschaft

Mit der Unterstützung von Nichtregierungsorganisationen sei es möglich, auch in armen Ländern demokratische Strukturen zu etablieren. Das sei erstaunlich. "Früher dachte man, Demokratie ist etwas für reiche Gesellschaften", erklärt der Politologe. Acht bis zehn Staaten in Afrika seien in diesem Sinne Hoffnungsträger. In Ghana zum Beispiel sei ein Mehrparteiensystem durch ein Bildungsprogramm etabliert worden. Organisationen unterhalb der staatlichen Ebene wie Kirchen- und Frauengruppen hätten die Nichtregierungsorganisationen in ihre Projekte einbezogen, um die Botschaft unters Volk zu bringen: "Der Aufbau einer Zivilgesellschaft lohnt sich".

Nicht alle Probleme seien hausgemacht, sondern sicherlich spielten auch externe und historische Gründe eine große Rolle für die Entwicklung in Afrika, betont Tetzlaff. Niedrige Rohstoffpreise für Kakao oder Erdnüsse seien zum Beispiel ein großes Handicap. Der Zuschnitt der Staaten durch die Kolonialmächte behindere die wirtschaftliche und politische Entwicklung: kleine Binnenstaaten, die kaum lebensfähig sind, große Staaten, die schwer regierbar sind. In der Phase der Dekolonialisierung seien zudem häufig Kämpfe unter rivalisierenden Gruppen entbrannt, die diese Länder weit zurückgeworfen hätten.

Eine ganze Elterngeneration stirbt

Aids ist eine weitere Last für den Kontinent mit der höchsten Zahl an HIV-Infizierten. Eine ganze Elterngeneration sterbe, erläutert Tetzlaff.

Die Waisen wachsen ohne Vorbilder und Ernährer auf. Die Gefahr sei groß, dass sie sich kriminellen Gruppen anschließen. Hoffnung mache, dass zum Beispiel Uganda konsequent über die Krankheit aufkläre und Verhütungsmittel zur Verfügung stelle. Aber Hilfe von außen sei hier – wie auch Katastrophenhilfe – notwendig, zum Beispiel durch günstigere Medikamente, um das Leid der Kranken zu lindern.