
Rede zur Lage der Nation Macron kommt "Gelbwesten" entgegen
Stand: 10.12.2018 20:39 Uhr
Höherer Mindestlohn, Entlastungen bei den Sozialabgaben - Frankreichs Präsident Macron hat ein ganzes Bündel an Entlastungen versprochen. Er äußerte Verständnis für die Wut vieler Bürger, verurteilte aber die Gewalt.
Nach wochenlangen Protesten der "Gelbwesten" hat der französische Präsident Emmanuel Macron größere Zugeständnisse angekündigt. So soll etwa der Mindestlohn um 100 Euro pro Monat steigen. Das kündigte er in seiner mit Spannung erwarteten Rede zur Lage der Nation an.
Er versprach zudem weitere Entlastungen bei den Sozialabgaben. Unter anderem sollen auf Überstunden weder Steuern noch Abgaben anfallen. "Wir wollen ein Frankreich, in dem man würdig von seiner Arbeit leben kann." Auch für Rentner, die über weniger als 2000 Euro monatlich verfügen, werde 2019 die Erhöhung der Sozialabgaben ausgesetzt.
Keine Vermögenssteuer
Die Vermögenssteuer, die seine Regierung abgeschafft hatte, soll jedoch nicht wieder eingeführt werden. Dies hatten zahlreiche Anhänger der "Gelbwesten" gefordert. Der Präsident versprach aber, stärker gegen Steuerflucht vorzugehen und Steuerschlupflöcher zu schließen.
Macron verurteilt Gewalt
Macron äußerte zudem Verständnis für den Ärger vieler Franzosen, "die morgens früh aufstehen um zu arbeiten, abends erst spät nach Hause kommen und am Ende des Monats trotzdem schauen müssen, wie sie über die Runden kommen". Zugleich kritisierte er in der landesweit übertragenen Fernsehansprache "unzulässige Gewalt" bei Protesten gegen seine Politik und versprach, die Ruhe "mit allen Mitteln" wiederherzustellen.
Die massiven Proteste in ganz Frankreich hatten vor etwa vier Wochen in mehreren Provinzen begonnen und entwickelten sich zur größten Krise der Regierung Macron. Es kam zu massiven Ausschreitungen mit Hunderten Festnahmen. Macron hatte viel Kritik geerntet, weil er lange zu dem Thema geschwiegen hatte.
Präsident Macron kündigt Entlastungen an
tagesthemen 22:15 Uhr, 10.12.2018, Sabine Rau, ARD Paris
Fraglich ist, ob die Zugeständnisse ausreichen werden. Die Forderungen der "Gelbwesten" sind noch weitgehender - sie fordern unter anderem die Erhöhung der Kaufkraft der Bevölkerung sowie mehr direkte Demokratie. Für kommenden Samstag gibt es bereits neue Aufrufe zu Protesten.
Höheres Staatsdefizit
Ein weiteres Problem: Die Zugeständnisse laufen Macrons Plan nach mehr Haushaltsdisziplin zuwider. Eigentlich hatten die Franzosen Europa versprochen, die Staatsfinanzen zu sanieren und die Maastrichter Defizitgrenze von drei Prozent der Wirtschaftsleistung dauerhaft einzuhalten. Frankreich droht nun, erneut die Drei-Prozent-Schwelle nicht einhalten zu können.
Denn die milliardenschweren Steuer- und Abgabenerleichterungen dürften die Neuverschuldung ansteigen lassen. Bisher sieht die Planung für 2019 ein Haushaltsdefizit von 2,8 Prozent der Wirtschaftsleistung vor. Erstmals seit 2007 lag Frankreich im Jahr 2017 mit einem Wert von 2,6 Prozent unter der Schwelle.