Lebensmittel sollen klarer gekennzeichnet werden EU-Parlament stimmt über "Ampel-Kennzeichnung" ab

Stand: 16.06.2010 04:47 Uhr

Fettleibigkeit und Zuckerkrankheiten nehmen zu - deshalb sollen Lebensmittel klarer gekennzeichnet werden. Das EU-Parlament will den Verbrauchern eine bessere Orientierung gegeben, was gesund oder ungesund ist. Über das Wie wird heute abgestimmt.

Von Martin Durm, ARD-Hörfunkstudio Straßburg

Das Leben könnte so schön bunt sein für den Verbraucher, sogar im Supermarkt, sogar an der Kühltheke. Grüne, gelbe und rote Punkte überall in den Regalen, auf Joghurtbechern, Fertiggerichten, verpackten Käsesorten und Würsten.

Da wüsste man endlich, woran man ist, glaubt die Europaabgeordnete Harms: "Grün für gesünder und Rot für auf jeden Fall ungesund ist eine sehr einfache Orientierung für den Kunden zu erkennen, ob das Fertiggericht krank macht, dick macht oder nicht."

Eine einfache, aber nicht alternativlose Lösung

Rebacca Harms ist von der grünen Fraktion im Europäischen Parlament, und deren Abgeordnete fordern seit Jahren, dass Brüssel in einer EU-weiten Richtlinie endlich die sogenannte Ampel zur Lebensmittelkennzeichnung einführen soll. Die Ampel würde dem Kunden im Supermarkt mit einem Blick Auskunft darüber geben, in welcher Konzentration ein Lebensmittel Zucker, Fette, Salze und Fettsäuren enthält. Das wäre eine einfache Lösung.

Doch die scheint derzeit im Europäischen Parlament nicht durchsetzungsfähig zu sein, weil die Konservativen vermutlich den komplizierteren Vorschlag ihrer Parteikollegin Renate Sommer bevorzugen werden. Der sieht so aus: "Als Kennzeichnungssystem stelle ich mir vor, das, was den Verbraucher am meisten interessiert, auf die Vorderseite zu drucken, nämlich den Kaloriengehalt immer pro hundert Gramm oder hundert Milliliter. Dann sehe ich sofort, das ist der schlankste Joghurt." Wer mehr wissen wolle, erklärt Sommer, müsse dann nur noch die Packung umdrehen, dort fände er dann detaillierte weiterführende Informationen.

Dritter Vorschlag der Sozialdemokraten

Das Modell hat im Verbraucherausschuss des Europäischen Parlaments kürzlich eine knappe Mehrheit bekommen. Nun ist offen, ob sich bei der heutigen Abstimmung im Straßburger Parlament die Ampel oder die Konservativen durchsetzen werden.

Die ohnehin große Verwirrung wird noch größer durch einen Vorschlag der Sozialdemokraten, die zusätzlich Angaben der Nährwerte pro Portion haben wollen. Wie dem auch sei: Weder das konservative Modell Sommer noch der dritte Weg der Sozialdemokraten kommen gut an im wirklichen Leben eines Supermarktes nahe der deutsch-französischen Grenze: "Ich habe gerade eingekauft, unter anderem Bio-Eier und Crispy-Stangen. Es wäre mir ganz sympathisch, wenn man eine Klassifizierung haben würde, und wenn man das mit verschiedenen Farben machen würde, würde ich sagen, dass das eine sinnvolle Sache ist."

Entscheidung kann noch dauern

Es kann noch Monate dauern, bis eine Entscheidung vorliegt in der EU. Um die Ampel zu retten, haben die Grünen etliche Änderungsantrage entworfen und hoffen nun auf die Unterstützung aus andern Fraktionen.

In jedem Fall aber wird eine Entscheidung in der EU großen Einfluss haben auf das Konsumverhalten der europäischen Kunden. Alle verpackten Lebensmittel werden von ihr betroffen sein, vor allem die oft Zucker, Fett und salzbelasteten Fertiggerichte.

Die Europäische Verbraucherzentrale und deren stellvertretende Direktorin Ursula Pachl rät den Abgeordneten jedenfalls dringend zur Ampel: "Die Ampel ist wirklich das beste System, um den Verbrauchern auf einen Blick die wichtigsten Informationen und das in einer verständlichen Weise zu liefern."

Starke Lobbyarbeit der Lebensmittelindustrie

Sollte sich das einfache Modell gegen das kompliziertere nicht durchsetzen, hat das womöglich auch etwas mit der starken Lobbyarbeit der Lebensmittelindustrie im Europäischen Parlament zu tun. Wer sich am Ende durchsetzen wird, ist noch offen. Und in Straßburger Supermärkten gibt es auch Leute, die das alles etwas gelassener nehmen: Informationen über Lebensmittel sind schon wichtig", sagt eine junge Französin. "Aber ich kauf, worauf ich Lust habe."