Flüchtlingsansturm auf Lampedusa Europa setzt Frontex in Marsch

Stand: 15.02.2011 17:15 Uhr

Zur Bewältigung des Flüchtlingsandrangs auf die Insel Lampedusa will die EU Italien schnell helfen - nicht nur finanziell. Eine Mission der Grenzschutzagentur Frontex wird bereits vorbereitet. Laut Frontex-Chef Laitinen soll der Einsatz von 30 bis 50 Beamten schon in einigen Tagen beginnen.

Der Flüchtlingsandrang auf die kleine italienische Mittelmeerinsel Lampedusa hat Europa aufgeschreckt. Italien hatte zusätzlich Druck gemacht: Das Land fühlte sich mit den Problemen allein gelassen. Nun hat die EU finanzielle und praktische Hilfe angekündigt. Man aktiviere gerade "alle Instrumente, die wir zur Verfügung haben", um dem italienischen Hilfsgesuch zu entsprechen, sagte ein Kommissionssprecher.

Frontex-Einsatz in Italien

Die Europäische Union reagiert mit ihren Hilfszusagen auf ein Schreiben des italienischen Innenministers Roberto Maroni an EU-Innenkommissarin Cecilia Malmström. Neben finanzieller Soforthilfe soll wohl auch die europäische Grenzschutzagentur Frontex zu einer Mission nach Italien entsandt werden, erläuterte der Sprecher. "Frontex bereitet eine Mission in der Gegend vor." Einzelheiten nannte er nicht.

Aber offenbar soll es schnell gehen. "Die Operation wird in einigen Tagen beginnen", sagte der Leiter von Frontex, Ilkka Laitinen, beim 14. Europäischen Polizeikongress in Berlin. An dem Einsatz würden sich zwischen 30 und 50 Beamte beteiligen, mehrere Schiffe und Flugzeuge sollten in der Region patrouillieren.

Frontex verfügt über keine eigenen Kräfte für Missionen, sondern muss Personal und Ausrüstung bei den EU-Mitgliedstaaten anfragen. Italien wäre nach Griechenland das zweite EU-Land, das beim Umgang mit Flüchtlingen Hilfe von schnellen Eingreifteams der Grenzagentur erhält. Seit vergangenem November sind Frontex-Patrouillen an der griechisch-türkischen Grenze im Einsatz, darunter auch Bundespolizisten aus Deutschland.

Die EU-Strategie: schweigen, ausweichen

Die Europäische Union hatte in den vergangenen Tagen um eine gemeinsame Strategie im Umgang mit der Flüchtlingswelle aus Nordafrika gerungen. Ein EU-Gipfel zum Thema Flucht wurde angedacht, ohne konkreten Termin allerdings. Die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton wollte sich am Montag bei einem Besuch in Tunis überhaupt nicht zu dem neuen Flüchtlingsproblem äußern. Auch die EU-Kommission hielt sich lange bedeckt: Auf die Frage, wie die Lasten zwischen den Südländern der EU, in denen die Flüchtlinge eintreffen, und den Nordländern besser verteilt werden könnten, antwortete ein Sprecher der EU-Kommission ausweichend: "Ich bin nicht bereit, da ins Detail zu gehen", sagte Michele Cercone in einer Pressekonferenz am Montag.

Auffanglager überfüllt

Auf der italienischen Flüchtlingsinsel Lampedusa blieb die Lage derweil angespannt. Zwar legten zunächst keine weiteren Boote auf der winzigen Felseninsel südlich von Sizilien an. Doch ist ihr Auffanglager mit 2000 Menschen völlig überfüllt. Konzipiert wurde es für 800. Seit dem Wochenende gilt der humanitäre Notstand auf Lampedusa. Mehr als 5000 Tunesier waren in den vergangenen Tagen nach Lampedusa geflüchtet. Die nur 20 Quadratkilometer große Insel südlich von Sizilien zählt selbst nur 4500 Einwohner.

Derweil vereinbarten Italiens Außenminister Franco Frattini und der Chef der tunesischen Übergangsregierung, Mohamed Ghannouchi, ein gemeinsames Vorgehen in der Flüchtlingskrise. Unter Wahrung der tunesischen Souveränität werde Italien praktische Hilfe mit Radarsystem oder Schnellbooten leisten, meldete die tunesische Nachrichtenagentur TAP. Italien habe bei dem Gespräch Hilfen im Wert von 100 Millionen Euro zugesichert.

Frankreich kündigte inzwischen an, einen Teil der tunesischen Flüchtlinge aufzunehmen. "Wir werden die Entscheidung gemeinsam mit Europa treffen", sagte Innenminister Brice Hortefeux. Europaminister Laurent Wauquiez erklärte allerdings, dass über die Aufnahme von Fall zu Fall entschieden werden solle.

Flüchtlinge nach Deutschland?

Deutsche Politiker sind sich uneins, wie mit dem verstärkten Strom tunesischer Flüchtlinge nach Italien zu verfahren sei. Der Staatssekretär im Innenministerium, Ole Schröder, sprach sich dagegen aus, die in Italien gestrandeten Flüchtlinge auf andere Länder in Europa zu verteilen. Man könne nicht davon sprechen, dass nur die südlichen Länder betroffen seien, sagte Schröder auf dem Europäischen Polizeikongress. So nehme etwa Schweden fünf Mal so viele Menschen auf wie Italien.

Statt auf einen Verteilungsmechanismus setze die Bundesregierung auf finanzielle Hilfe, die Frontex-Grenzschützer und die freiwillige Aufnahme von Flüchtlingen.

Özdemir: "Der Norden darf den Süden nicht alleine lassen"

Grünen-Chef Cem Özdemir zeigte sich dagegen offen für die Aufnahme von Flüchtlingen aus Nordafrika. "Der Norden darf den Süden dabei nicht alleine lassen", sagte Özdemir der "Rheinischen Post". SPD-Innenexperte Sebastian Edathy wies in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" darauf hin, dass die Asylbewerberzahlen dramatisch gesunken seien und die Aufnahme eines bestimmten Kontingents somit verkraftbar sei. Er appellierte an die Bundesregierung, beim Treffen der EU-Innenminister in der nächsten Woche konkrete Hilfszusagen zu machen.