Vor dem Beitritt zur Europäischen Union Kroatiens mühsamer Weg in die EU

Stand: 25.06.2011 13:07 Uhr

20 Jahre nach der Unabhängigkeit vom früheren Jugoslawien ist der Weg für Kroatien in die EU frei. Acht Jahre haben die Beitrittsverhandlungen gedauert. Doch von Euphorie ist angesichts der Griechenland-Krise nicht mehr viel zu spüren. Die Politik gibt sich dennoch optimistisch.

Von Andreas Meyer-Feist, ARD-Hörfunkstudio Südosteuropa

Kroatien - Traumland unzähliger deutscher Urlauber. Viele Inseln, feine Strände und gute Hotels stellen auch anspruchsvollste Badegäste zufrieden. Da fehlt nur noch der Beitritt zur EU zum vollkommenen Glück im vereinigten Europa, diesen Eindruck erwecken Kroatiens Politiker quer durch die Parteien. Jetzt ist der Beitritt absehbar. Aber Begeisterungsstürme für die EU angesichts der Griechenland-Krise gibt es nirgends mehr. Stattdessen nüchterner Realismus: "Es ist gut, das wir reinkommen, aber wir haben es sowieso schon lange verdient. Nur bei uns wurde viel genauer hingeguckt als bei anderen, die schlechter sind als wir und längst drin sind" - so oder ähnlich ist es auf den Straßen der Hauptstadt Zagreb oft zu hören.

In den Stürmen der Finanzkrise rund um Griechenland sehen viele die EU aber nur noch als teuren Wellenbrecher gegen den wirtschaftlichen Absturz eines ganzen Kontinents - Kroatien eingeschlossen. Vor allem Arbeiter, Angestellte und Beamte  sind europaskeptisch, das zeigen Umfragen. Anders Selbstständige und Unternehmer in Kroatien: Sie erhoffen sich mehr Kunden, mehr Umsatz und höhere Gewinne in der EU.

Hoffnung auf steigende Löhne und sinkende Korruption

Tatjana Kotrolla hat ein Reisebüro in Kroatiens Hauptstadt Zagreb. Urlaubsreisen an die kroatischen Strände verkaufen sich gut. Neben den teuren Hotels gibt es viele preiswerte Quartiere, die man sich auch mit einem Monatseinkommen von umgerechnet 600 Euro noch gerade leisten kann - mehr verdienen viele Kroaten noch nicht, die Wirtschaftskrise 2008 hat die Hoffnung auf steigende Löhne und Gehälter gedämpft - bis heute: "Das Geschäft läuft hoffentlich noch besser, wenn wir in der EU sind. ich hoffe auf noch mehr Kundschaft aus Deutschland, auf Leute, die von der Türkei die Nase voll haben", sagt sie.

Außerdem erwartet sie mehr Sauberkeit in der kroatischen Politik, in der Vergangenheit belastet durch Korruptionsaffären. Der kroatische Ex-Premier Ivo Sanader war im Dezember in Österreich festgenommen worden - aufgrund eines internationalen Haftbefehls. Er soll den kroatischen Staat um sechs Millionen Euro geschädigt haben, lautet der Vorwurf der Staatsanwaltschaft.

"Wir müssen uns vor keiner Kontrolle fürchten"

Verschwinden nun die Hinterlassenschaften der Korruption oder bilden sie das Strandgut kroatischer Vergangenheit, das nach und nach in die EU gespült werden könnte? Diese Befürchtungen innerhalb der EU kennt Kroatiens Ministerpräsidentin Jadranka Kosor: "Wir denken nicht auf diese Art und Weise, wir denken vor allem an die Arbeit für den EU-Beitritt, die wir gemacht haben und die noch bevorsteht. Ich denke an unsere Bürger, damit es uns allen besser geht. Dafür haben wir die Verwaltung, die Justiz, die Polizei EU-konform reformiert. Natürlich haben wir das auch getan, um die Beitrittsverhandlungen erfolgreich abschließen können." Die 58 Jahre alte Juristin mit der kurzen weißblonden Pagenfrisur gehört zwar der gleichen Partei HDZ an wie ihr inhaftierter Vorgänger Ivo Sanader. Unter ihm diente sie sogar schon als Familienministerin, aber sie hat frischen Wind in die verkrustete kroatische Politik gebracht.

Inzwischen kommen Auslandsinvestoren nach Kroatien, die zuvor wegen mangelnder Rechtssicherheit einen Bogen um das Land gemacht hatten: "Wir müssen uns vor keiner Kontrolle durch die EU fürchten", verspricht Kroatiens Staaspräsident Ivo Josipovic, "Kontrollen sind auch nicht nötig. Wir haben alles umgekrempelt. Wir sind auf dem richtigen Kurs. Die Reformen sind unumkehrbar. Die EU-Anforderungen sind erfüllt. Und die weitere Entwicklung kann die EU-Standards nur noch stärken." Selbstbewusst gibt sich die Regierung des 4,5-Millionen-Einwohnerlandes Kroatien.

Lange und schwierige Beitrittsverhandlungen

Die Beitrittsverhandlungen waren die bisher wohl schwierigsten in der EU-Geschichte. Schon vor acht Jahren wurde der Beitrittsantrag abgegeben. Aber die langen Schatten des Jugoslawienkrieges von 1991 bis 1995 und die anfangs mangelhafte Zusammenarbeit mit dem Kriegsverbrechertribunal in Den Haag verzögerten die Verhandlungen. Dazu belastete noch ein Grenzstreit mit dem EU-Mitglied Slowenien die Beitrittsgespräche. Dabei steht nach Überzeugung vieler internationaler Diplomaten Kroatien wirtschaftlich längst besser da als etwa Bulgarien und Rumänien, die schon seit 2007 EU-Mitglieder sind.

"Die EU ist nicht so super"

Viele Kroaten, die in die EU wollen, fühlen sich denn auch durch die überlangen Verhandlungen eher bestraft als belohnt. Man habe an ihnen wohl ein Exempel statuieren wollen, um alte Fehler nicht noch einmal zu machen, glauben viele: "Ich bin inzwischen total gegen die EU. Dänemark will wieder Zollkontrollen einführen, Griechenland ist Pleite, warum will die Schweiz nicht rein? Die EU ist nicht so super wie uns das die Politiker vorgaukeln. Geld kann nicht einfach verteilt werden, es muss erst mal verdient werden", sagt eine Passantin in Zagreb und bekommt sofort Unterstützung: "In der EU haben die Großen das Sagen. Alle anderen sind Mitläufer. Lange geht das nicht mehr gut, da gibt es zu viele unterschiedliche Interessen."

So mancher nimmt die EU-Visionen auch mit feiner Selbstironie. Und lebt ansonsten so weiter wie immer. Mit der heimischen Währung Kuna, und nicht mit dem inzwischen mehr gefürchteten als gelobten Euro. Und mit einem subtilen Gespür für die Unterschiede: "EU? Da sind wir falsch. Wir sind Balkanesen..."