
Berichte aus Krisengebieten Vergessene Not
Stand: 13.02.2020 07:06 Uhr
Es gibt humanitäre Krisen auf der Welt, die kaum für Schlagzeilen sorgen. Eine Hilfsorganisation macht jedes Jahr darauf aufmerksam. Wie ist die Lage in den zehn Regionen, die 2019 "vergessen" wurden? ARD-Korrespondenten sind dem nachgegangen.
Seit mehreren Jahren veröffentlicht die Hilfsorganisation Care eine Liste mit vergessenen humanitären Krisen. Wo leiden viele Menschen, ohne dass die Welt Anteil nimmt? "Suffering in Silence" heißt der jährliche Bericht. Zehn Krisen des vergangenenen Jahres ohne umfangreiche Berichterstattung werden darin aufgeführt - neun betroffene Regionen liegen in Afrika. Wie sieht es in den Ländern wirklich aus? Hier berichten die ARD-Korrespondenten über ihre Sicht auf die Krisenregionen.
Kapitelübersicht
1. Madagaskar: Weniger Bäume, weniger Schutz
2. Zentralafrikanische Republik: Diamanten, Gold und bittere Armut
3. Sambia: Überschwemmungen und Dürren im Wechsel
4. Burundi: Hutu-Führung unterdrückt Tutsi
5. Eritrea: Flucht aus dem "Nordkorea Afrikas"
6. Nordkorea: Eigene Gemüsegärten gegen den Hunger
7. Kenia: Wolkenkratzer und Heuschrecken-Plage
8. Burkina Faso: Überforderter Staat bewaffnet Freiwillige
9. Äthiopien: Friedensnobelpreisträger in der Kritik
10. Tschadsee-Region: Wo Terroristen einen besseren Ruf als Regierungen haben
Vier Staaten, ein See, eine Krise: in den Tschadsee-Anrainerstaaten Nigeria, Kamerun, Niger und Tschad kämpfen mittlerweile seit mehr als zehn Jahren Soldaten staatlicher Armeen gegen zu Terroristen-Milizen mutierte Aufständische. Mehr als 2,5 Millionen Menschen mussten deshalb schon aus ihren Heimatregionen fliehen. Ihre Versorgung mit dem Notwendigsten wird kontinuierlich schwieriger. Mehr als fünf Millionen Menschen in der Region haben keine sichere Lebensmittelversorgung.
Die Ursachen für diese anhaltende Krise? Sie liegen in schlechter Regierungsführung, wachsender sozialer Ungleichheit, verbreiteter Korruption und grassierenden Menschenrechtsverletzungen. Das habe zu mehr religiösem Fundamentalismus und zur Gründung bewaffneter Gruppen geführt. Diese Analyse lieferte 2019 eine ausführliche Studie unter Leitung der Adelphi-Denkfabrik. Sie war von den G7-Staaten in Auftrag gegeben worden.
Die Folgen sind dramatisch: Immer mehr Menschen fliehen vor der Gewalt. Die Kämpfe legen den einst florierenden Handel lahm. Der Zugang zu Bildung oder Gesundheitsversorgung ist miserabel. Verschärft wird die Lage durch den Klimawandel. Stark schwankende Temperaturen und Regenfälle beeinträchtigen zunehmend Landwirtschaft und Viehzucht. Die Bauern wissen kaum noch, was sie wann anpflanzen können.
Die vier Anrainer-Staaten des Tschadsees haben auf die Krise bisher vor allem militärisch reagiert. Die Angriffe der Terrormiliz Boko Haram gehen trotzdem weiter. Mittlerweile sucht ein Teil von Boko Haram den Schulterschluß mit dem "Islamischen Staat". Sie bildeten die Guerilla-Truppe ISWAP ("Islamischer Staat in der Westafrikanischen Provinz"), die zunehmend an Einfluss in der lokalen Bevölkerung in der Tschadsee-Region gewinnt. So warnte im Mai 2019 die International Crisis Group, ICG, in einem Bericht. Die ISWAP-Kämpfer hätten in Teilen der Tschadsee-Region einen besseren Ruf als die jeweiligen Regierungen und ihre Soldaten.