
Kramp-Karrenbauers Syrien-Vorstoß Diskussion über eine "halbgare" Idee
Stand: 22.10.2019 12:58 Uhr
Der Vorstoß von CDU-Chefin Kramp-Karrenbauer für eine internationale Sicherheitszone in Syrien scheint koalitionsintern nicht abgestimmt. Die SPD sieht Diskussionsbedarf, "halbgar" nennen die Grünen die Idee.
Der Vorstoß von Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer für eine internationale Schutzzone in Nordsyrien sorgt beim Koalitionspartner für wenig Begeisterung. SPD-Verteidigungspolitiker Fritz Felgentreu erklärte im Deutschlandfunk, der Vorschlag sei nicht mit den Sozialdemokraten abgestimmt gewesen. Aus dem von SPD-Außenminister Heiko Maas geführten Auswärtigen Amt hieß es, es bestehe Diskussionsbedarf. Die CDU-Chefin hatte Maas vor ihren öffentlichen Äußerungen - unter anderem in den tagesthemen - laut eigener Aussage per SMS informiert.
Stephan Stuchlik, ARD Berlin, zur Vorgehensweise der Bundesverteidigungsministerin
tagesschau 14:00 Uhr, 22.10.2019
"Es ist wichtig, dass wir von Europa aus politische Vorschläge machen, wie wir auf Dauer diese Region stabilisieren können - international kontrolliert, aber unter Einbeziehung der Türkei und Russlands", sagte die CDU-Chefin in den tagesthemen.
Die Lösung mit einer Sicherheitszone müsse deutlich machen, dass die Türkei die Zone in Nordsyrien nicht dauerhaft besetze, was völkerrechtswidrig sei. Zudem müsse man der bestehenden UN-Resolution zu Syrien gerecht werden und das Land als gemeinsames Gebiet erhalten. Es solle keine autonomen anderen Gebiete in Syrien geben.
Annegret Kramp-Karrenbauer, Bundesverteidigungsministerin, zu ihrer Forderung einer internationalen Sicherheitszone
tagesthemen 22:15 Uhr, 21.10.2019
Mit Bundeswehr-Soldaten? Das lässt Kramp-Karrenbauer offen
Kramp-Karrenbauer wies darauf hin, dass die Situation in Syrien die Sicherheitsinteressen Europas und Deutschlands beeinträchtige. In dieser Situation hätten sich Deutschland und die Europäer bisher zu passiv verhalten, "wie Zaungäste".
Das soll eine internationale Schutzzone ändern. Wie genau ein deutscher Beitrag dafür aussehen könne, wollte die Verteidigungsministerin nicht sagen. "Die Bundeswehr wird immer das zur Verfügung stellen, was die Politik von ihr verlangt", betonte sie im ZDF.
Ungewiss ist bisher, ob die Partnerländer bei diesem Vorstoß mitziehen. Mit den westlichen Verbündeten USA, Großbritannien und Frankreich sei die Idee vorab besprochen, hatte Kramp-Karrenbauer gesagt. Am Rande des Treffens der NATO-Verteidigungsminister in Brüssel am Donnerstag und Freitag will sie ihre Idee genauer vorstellen.
Aus dem Kreml hieß es, man werde den Vorschlag prüfen. Der Sprecher des russischen Präsidenten Putin, Peskow, sagte, die Initiative aus Deutschland sei neu und man habe noch keine Position dazu.
In Sotschi treffen sich heute die Präsidenten Russlands und der Türkei. Der außenpolitische Sprecher der SPD, Nils Schmid, glaubt nicht daran, dass sich beide Länder groß mit der Idee der CDU-Chefin befassen. "Es ist doch klar, dass Türken und Russen das unter sich ausmachen werden", sagte im im NDR.
Den Vorschlag der Verteidigungsministerin bezeichnete er als nicht zu Ende gedacht. Er komme "wie Kai aus der Kiste". "Die Koalitionsspitzen haben stundenlang im Koalitionsausschuss über die Lage in Nordsyrien diskutiert und Frau Kramp-Karrenbauer hat keinen Mucks getan über ihren Vorschlag."
Auch die CSU war erst am Morgen informiert worden, findet das aber nicht so schlimm. CSU-Landesgruppenchef Dobrindt sagte, der Vorschlag komme genau zur richtigen Zeit. Jetzt müsse er weiterentwicklet werden - in enger Begleitung durch den Bundestag und die Bundestagsfraktionen.
Ex-NATO-General unterstützt Vorstoß grundsätzlich
Der frühere NATO-General Harald Kujat begrüßte die Idee grundsätzlich. "Frau Kramp-Karrenbauer sagt aber, die Türkei soll mit einbezogen werden. Das würde ich ablehnen", sagte er im NDR. Sollte es zu einem Einsatz kommen, müsste sich Deutschland laut Kujat daran beteiligen. Das stehe völlig außer Frage. Der richtige Adressat für diese Maßnahme wäre die NATO.
Eine internationale Schutzzone einzurichten dauere zudem eine ganze Reihe von Wochen. Allerdings geht auch er davon aus, dass der deutsche Vorschlag bei den Gesprächen zwischen Russlands Präsidenten Putin und seinem türkischen Amtskollegen Erdogan keine Rolle spielen werde.
Skeptisch zeigte sich dagegen der Wehrbeauftragte des Bundestags, Hans-Peter Bartels. "Die Bundeswehr reißt sich nicht um zusätzliche Aufgaben", sagte der SPD-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. "Schon jetzt sind 17.000 deutsche Soldatinnen und Soldaten in internationale Einsätze eingebunden." Es sei zwar möglich, dass Deutschland andere Prioritäten setze, sagte Bartels. "Aber noch ist ja völlig offen, um welche Art von Mission es eventuell gehen soll. Und soll dann die EU aktiv werden, die Nato oder die UNO?"
"Halbgare Vorschläge"
Aus der Opposition kam Kritik, aber auch Zustimmung für den Vorschlag: "Bereits vor ein paar Tagen hat die FDP in Syrien eine Blauhelmmission gefordert", erinnerte die FDP-Verteidigungspolitikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann. Unionspolitiker hätten dies zunächst noch belächelt. Sie forderte einen Bundeswehreinsatz als Teil der Mission.
Der Grünen-Außenpolitiker Omid Nouripour kritisierte den Vorstoß Kramp-Karrenbauers. "Halbgare Vorschläge für das internationale Parkett zu machen, ohne diese mit dem Außenminister abzusprechen, beschädigt Deutschlands Ruf als zuverlässigen Partner", sagte Nouripour. Die Ministerin verfestige den Eindruck, dass der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan Deutschland mit Flüchtlingen erpressen könne.
Türkischer Einmarsch
Die Türkei hatte am 9. Oktober im Norden Syriens eine Offensive gegen die Kurdenmiliz YPG gestartet, die von ihr als Terrororganisation angesehen wird. Ankara begründet den Einmarsch mit dem Recht auf Selbstverteidigung. Die Bundesregierung hält die Militäroperation für völkerrechtswidrig. Von Sanktionen hat sie bis auf eine Einschränkung der Rüstungsexporte an die Türkei bisher abgesehen.
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