
Vermisste belarusische Politikerin Rätselraten um Kolesnikowa
Ist die vermisste belarusische Oppositionelle Kolesnikowa noch im Land? Die Behörden sagen, sie habe sich in die Ukraine abgesetzt und sei dort festgenommen worden. Die Opposition spricht von einer Inszenierung des Geheimdienstes.
Gestern fehlte von Maria Kolesnikowa plötzlich jede Spur. Nach Medienberichten könnte sie inzwischen in der Ukraine sein. Ein Vertreter des belarusischen Grenzschutzkomitees erklärte, dass die Oppositionelle gemeinsam mit den beiden Mitarbeitern des Koordinierungsrates, die gestern ebenfalls verschwunden waren, die Grenze zur Ukraine überquert habe.
Eine offizielle Bestätigung ukrainischer Behörden liegt bislang nicht vor. Laut der Nachrichtenagentur Reuters hat Kolesnikowa die Grenze zur Ukraine nicht überschritten. Das hätten Grenzschützer mitgeteilt. Die beiden Begleiter Kolesnikowas haben die Ukraine erreicht, das bestätigten ukrainische Behörden.
Über die belarusischen Staatsmedien wurde verbreitet, dass man Kolesnikowa beim Versuch, die Grenze illegal zu überqueren, festgenommen habe. "Kolesnikowa ist derzeit in Gewahrsam", sagte ein Sprecher des Grenzschutzes.
Inszenierung des Geheimdienstes?
Es wurde auch ein Video veröffentlicht, in dem einer der Mitarbeiter erklärt, er habe selbst entschieden, das Land zu verlassen. Das Video habe sich auf seinem Handy befunden, das er beim Fluchtversuch verloren habe.
Der Koordinierungsrat in Belarus wertet den Fall als eine Inszenierung des Geheimdienstes. Weder Kolesnikowa noch die beiden anderen hätten vorgehabt, das Land zu verlassen. Im Gegenteil: Sie hätten es kategorisch abgelehnt. "Wir können nur die Tatsache bestätigen, dass Maria Kolesnikowa Belarus nicht freiwillig verlassen wollte", hieß es von der Opposition.
Noch am Sonntag hatte Kolesnikowa bei der Protestaktion in Minsk betont, sie werde auf jeden Fall in Belarus bleiben. Bislang hat sich die 38-Jährige noch nicht selbst öffentlich zu Wort gemeldet. Es bleibt weiter unklar, wo sie sich befindet.
Der Staat "Republik Belarus" ist landläufig als Weißrussland bekannt - doch diese Übersetzung trügt. Der Name "Belarus" ist eine Referenz auf die Westliche Rus, ein Teilgebiet des mittelalterlichen slawischen Großreichs der Kiewer Rus.
Historisch überholte Bezeichnungen wie "Weißruthenien" in der Zeit des Nationalsozialismus und "Belarussische SSR" während der Sowjetunion sind für die 9,4 Millionen Einwohner des seit 1991 unabhängigen Staates schmerzhaft und erinnern sie an die leidvolle Zeit der Fremdherrschaft.
Sie bezeichnen ihr Land meist als Belarus und sich selbst als Belarusen, weil sie damit ihre Eigenständigkeit - insbesondere vom Nachbarstaat Russland - betonen. Auf diplomatischer Ebene wird der Name "Belarus" im deutschsprachigen Raum schon lange verwendet, auch das Auswärtige Amt spricht von der "Republik Belarus". Zunehmend gehen auch deutsche Nachrichtenmedien dazu über - und nennen die Einwohner konsequenterweise "Belarusen", nicht "Belarussen".