Hintergrund

Leben mit dem Klimawandel Gesucht wird ... ein Ausweg

Stand: 14.07.2008 15:52 Uhr

Dass der Klimawandel ein Problem ist, bestreitet fast niemand mehr. Allerdings gibt es auch noch keine wirkliche Lösung, denn es ist der Hunger nach Energie, der für den Ausstoß des Treibhausgases Kohlendioxid veantwortlich ist. Und dieser Hunger wird weltweit größer.

Von Dieter Westhoff, tagesschau.de

Der Klimawandel hat eine Ursache: Ein farb- und geruchloses Gas, harmlos an sich – Kohlendioxid, CO2.  Die Konzentration von C02 in der Erdatmosphäre ist in den letzten 200 Jahren seit Beginn der Industrialisierung um rund ein Drittel angestiegen. Tendenz weiter steigend, denn Kohlendioxid entsteht, wenn Öl, Kohle oder Erdgas verbrannt werden. Und der Hunger der Welt nach Energie ist nicht zu stillen. Die Internationale Energieagentur (IEA) schätzt, dass der weltweite Energieverbrauch 2030 um 50 Prozent höher sein wird als heute. Dabei wird der Energieverbrauch nicht in allen Ländern gleichmäßig steigen. Gewaltig zulegen werden dabei "die neuen Giganten der Weltwirtschaft" – nämlich Indien und China.

Ein ungehindertes Wachstum des Einsatzes fossiler Brennstoffe wird den Klimawandel beschleunigen, ist sich die IEA in ihrem "Welt-Energie-Ausblick 2007" sicher.  Als Ausweg werden erneuerbare Energien und die Kernenergie gesehen. IEA-Chef Nobuo Tanaka schlug den G8-Energieministern vor, dass bis 2050 weltweit jedes Jahr 32 neue Atomkraftwerke und 14.000 große Windräder entstehen müssten. Mit letzterem könnte sich Bundesumweltminister Sigmar Gabriel wohl anfreunden. Zu der Kernkraftforderung gab es dagegen drastische Worte: "Das ist ein energiepolitischer Amoklauf."

Mit Energieersparnis aus der Klimakrise?

Das Beispiel Deutschland: Mit dem Energieverbrauch werden hierzulande jährlich rund 800 Millionen Tonnen CO2 in die Luft geblasen. Rund vier Fünftel der Energie stammt aus den fossilen Energieträgern, nur ein Fünftel aus regenerativen Energiequellen und der Kernenergie. Die Bundesregierung  will die deutschen Emissionen bis 2020 um 40 Prozent unter den Wert von 1990 bringen. Die große Frage "Kernenergie oder Kohle oder was sonst?" muss dabei im Augenblick aus koalitionspolitische Erwägungen ausgeklammert bleiben. Oberstes Ziel ist deshalb zunächst die Energierersparnis.

Eingebunden sind die deutschen Bemühungen um den Klimaschutz in internationale Abkommen und Verträge. Das Kyoto-Protokoll hat 1997 den Industriestaaten aufgegeben, ihren Ausstoß an Treibhausgasen bis 2012 um durchschnittlich 5,2 Prozent im Vergleich zu 1990 zu verringern. Obwohl der größte Klimasünder USA das Kyoto-Protokoll noch immer nicht ratifiziert hat, muss ein Nachfolger für die Zeit nach 2012 gesucht werden. Das soll bei einer UN-Konferenz in Kopenhagen im Dezember 2009 geschehen.

Trotz Kyoto: Die Emissionen steigen weiter

Kyoto hat einen Meilenstein in den internationalen Bemühungen um den Klimaschutz gesetzt, denn mit dem Protokoll wurde der Emissionshandel eingeführt, also der Handel mit Verschmutzungsrechten. Zugrunde liegt die Idee, dass Umweltverschmutzung Geld kosten soll und es sich für Unternehmen und Staaten finanziell lohnen soll, CO2-Emissionen zu reduzieren. Ob der Emissionshandel funktioniert oder nicht, darüber sind sich Experten und Politiker uneins – eins aber ist  sicher: Die Kohlendioxid-Emissionen steigen weiter.

Allerdings könnte die Entwicklung der Energiemärkte und besonders des Ölpreises dem Klimaschutz in die Hände spielen. Nicht nur aus umweltpolitischen Gründen, sondern auch aus ökonomischen Gründen wird es für die Industrieländer immer drängender, sich vom Öl unabhängig zu machen. Derzeit regiert der Automatismus: Steigt der Ölpreis, kommt die Forderung nach einer Erhöhung der Produktion. Absehbar ist der Zeitpunkt, an dem dies nicht mehr geht. Es ist unausweichlich: Die Ölvorräte sind endlich. Die Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe (BGR) erwartet den Höhepunkt der Ölförderung bis zum Jahr 2020. "Danach erfolgt ein Rückgang", prognostiziert die BGR  in einer Studie zur Verfügbarkeit der Energierohstoffe. Alternativen müssten deshalb erschlossen werden.

Schweden auf dem Weg zu Unabhängigkeit vom Öl

Das Beispiel Schweden: Das skandinavische Land richtet sich auf diesen Zeitpunkt bereits heute ein. 2005 verkündete die Regierung als Ziel, bis 2020 vom Öl unabhängig zu sein. Als Begründung wurde auf den Klimawandel und die steigenden Ölpreis verwiesen. "Schweden hat die Chance, ein internationales Modell zu werden", freute sich die Ministerin für nachhaltige Entwicklung, Mona Sahlin. Bei der Stomerzeugung ist das Land dem Ziel schon sehr nahe gekommen. Hauptenergiequellen sind hier Wasserkraft und Atomenergie. Beim Verkehr ist dies allerdings schon schwieriger. Zwar liefen in Schweden 2007 bereits über 70.000 Autos mit Bio-Ethanol.  Doch inwieweit nachwachsende Rohstoffe wirklich eine ökologisch unbedenkliche Alternative sind, ist seit der weltweiten Lebensmittelkrise in diesem Jahr in Frage gestellt.

Zumal die Folgen des Klimawandels die natürlichen Grundlagen der Menschheit sowie schon bedrohen – durch Dürre, Bodenerosion oder Stürme und Fluten. Zu besichtigen sind die schlimmsten Folgen des Klimawandels auf dem Krisenkontinent Afrika, wo der Sozialpsychologe Harald Welzer auch den ersten "Klimakrieg" des 21. Jahrhunderts ausmacht – in der sudanesischen Provinz Darfur, wo verfeindete Milizien und die Regierung seit 2003 einen mörderischen Bürgerkrieg führen.  Wenn Überlebensressourcen schwinden, "liegt es auf der Hand, dass dies zu Gewaltkonflikten zwischen denen führt, die sich von ein und demselben Stück Land ernähren oder aus derselben verrinnenden Wasserquelle trinken wollen".