
Kritik an WM-Gastgeber Katar "Menschenbild aus einem anderen Jahrtausend"
Schwulsein als geistiger Schaden - diese Aussage eines katarischen WM-Botschafters sorgt für neue Diskussionen vor dem Turnier. Justizminister Buschmann verurteilte die Haltung. Deutlich wurde auch Nationalspieler Goretzka.
Dubiose Umstände der WM-Vergabe, tote Arbeiter beim Stadionbau, eingeschränkte Menschenrechte: Die Fußball-Weltmeisterschaft in Katar sorgt weiter für Diskussionen. Zuletzt hatten schwulenfeindliche Aussagen eines WM-Botschafters für Empörung gesorgt. Darauf reagierte Bundesjustizminister Marco Buschmann nun und erinnerte Katar an die Sicherheitsgarantien für Fans während des Turniers. "Homosexualität ist keine Krankheit. Wer die Welt zu einem Sportfest einlädt, der sollte dies längst eingesehen haben", sagte Buschmann im ZDF.
"Wenn wir echte internationale Verständigung wollen: Dann müssen alle Menschen akzeptiert werden so wie sie sind - egal welches Geschlecht sie haben und wen sie lieben." Gleiche Freiheit und gleiche Würde seien wichtige Werte im Sport. "Leider müssen wir feststellen, dass all dies auch im Jahr 2022 noch nicht selbstverständlich ist", sagte Buschmann.
Auslöser des Wirbels waren Aussagen von Khalid Salman, der zu den offiziellen Botschaftern des am 20. November in Katar beginnenden Turniers zählt. Er hatte in einer ZDF-Doku gesagt, dass Schwulsein verboten sei, weil es ein geistiger Schaden sei.
Diese Äußerungen sorgen auch unter Fußballern für Unverständnis: "Das ist schon sehr beklemmend, muss man sagen. Das ist einfach ein Menschenbild aus einem anderen Jahrtausend", sagte Nationalspieler Leon Goretzka. "Das ist nicht das, wofür wir stehen wollen und was wir vorleben. Es ist absolut inakzeptabel, so eine Aussage zu treffen."

Bayern-Spieler Goretzka hat sich bereits in der Vergangenheit kritisch über die WM in Katar geäußert. Sein Verein macht jedoch Werbung für die staatliche Fluglinie von Katar und verdient damit viel Geld.
Salihamidzic: "Einfach inakzeptabel"
Auch Bayern-Sportvorstand Hasan Salihamidzic distanzierte sich von den Aussagen und nannte sie "einfach inakzeptabel". Angesprochen darauf, ob solche Aussagen das Kalkül des FC Bayern hinsichtlich der Zusammenarbeit mit Qatar Airways beeinflussen könnten, gab sich Salihamidzic zurückhaltend. "Das ist die Aussage einer einzelnen Person. Darüber müssen wir reden, klar", sagte er.
Unter Bayern-Fans wird die Sponsorenbeziehung zu Katar kontrovers diskutiert. Die Club-Verantwortlichen hatten erklärt, dass sie nach der WM über eine Verlängerung der bis zum Sommer 2023 datierten Zusammenarbeit entscheiden wollen. Im Bayern-Fanblock wurden während der Partie gegen Bremen Spruchbänder mit deutlicher Kritik an den Aussagen des katarischen WM-Botschafters gezeigt.
Auch andere Vereinsvertreter reagierten auf die Aussagen des WM-Botschafters. Nach den homophoben Äußerungen Salmans könne man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen, sagte Stuttgarts Vorstandschef Alexander Wehrle dem TV-Sender Sky. Er forderte die Ethikkommission des Fußball-Weltverbandes FIFA zu einem entschiedenen Vorgehen gegen WM-Botschafter Salman auf. "Eine sexuelle Orientierung mit einer Geisteskrankheit gleichzusetzen, das ist weit weg von jeder Vorstellung, die wir hier in unserem kulturellen Kreis haben", sagte Wehrle. "Der WM-Gastgeber hat uns ganz klar signalisiert, auch über die FIFA, dass jeder Fußballfan, egal welche sexuelle Orientierung er hat, dort ein sicheres Erlebnis haben wird", sagte der offen homosexuell lebende Wehrle mit Blick auf das am 20. November beginnende Turnier. "Daran muss sich der Gastgeber messen lassen und da müssen wir auch Vertrauen haben."
Human Rights Watch fordert Zahlungen für Hinterbliebene
Auch die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch nimmt die FIFA in die Pflicht. Der Verband müsse Verantwortung für die am Bau der WM-Infrastruktur in Katar beteiligten Arbeiter zu übernehmen. "Bei der FIFA können sie nicht einfach sagen: Wenn die Regierung nicht mitmacht, entziehen wir uns der Verantwortung", sagte Deutschland-Direktor Wenzel Michalski dem RedaktionsNetzwerk Deutschland. "Es geht nicht nur um die Toten beim Stadionbau, sondern insgesamt bei der Errichtung der Infrastruktur für die WM", betonte Michalski. "Das ist nicht nur eine moralische, sondern eine rechtliche Verpflichtung. Der Arbeitgeber muss aufkommen für Familien der Arbeitnehmer, die verstorben oder nun arbeitsunfähig sind." Gemeinsam mit Amnesty International fordert die Menschenrechtsorganisation eine Zahlung von 440 Millionen Euro.
Erstmals wird in dem Golf-Staat eine Fußball-Weltmeisterschaft im Winter ausgetragen. Die Wahl Katars hält mittlerweile auch Sepp Blatter für einen Fehler, der während der Vergabeentscheidung 2010 Präsident des Fußball-Weltverbands FIFA war. "Katar ist ein Irrtum, die Wahl war schlecht", sagte Blatter dem Schweizer "Tages-Anzeiger".