
US-Bürgerrechtler Lewis Abschied von einer Ikone
Stand: 28.07.2020 05:11 Uhr
Im US-Kapitol ist der Leichnam des verstorbenen Bürgerrechtlers und Abgeordneten Lewis aufgebahrt, und die Menschen stehen Schlange, um ihm die letzte Ehre zu erweisen. Nur ein Mann bleibt fern.
Von Katrin Brand, ARD-Studio Washington
Die Sonne steht noch hoch über der weißen Kuppel des Kapitols, aber die Hitze drückt nicht mehr ganz so sehr. Hunderte Menschen, alle mit Maske, stehen am Abend hier in der Schlange, über mehrere Häuserblocks hinweg. Sehr weit weg auf der großen Freitreppe steht der Sarg von John Lewis, ihm wollen sie alle hier die letzte Ehre erweisen.
Ehrung für verstorbenen US-Bürgerrechtler Lewis
tagesschau24 11:00 Uhr, 28.07.2020, Jan Philipp Burgard, ARD Washington
John Lewis ist ein großer amerikanischer Held, sagt Waikinya Clanton, eine Schwarze, die sich Schritt für Schritt vorarbeitet. Und etwas weiter hinten in der Schlange erinnert DaQuan Lightfoot, ein junger Washingtonian, daran, dass John Lewis sich mit seinem Leben für freien Zugang zu Wahlen eingesetzt habe.
"Es ist kein Geheimnis, dass es hier in den USA Gruppen gibt, die es Menschen schwer machen wollen, wählen zu gehen. John Lewis wollte es ihnen einfach machen, ihre Stimme abzugeben und gehört zu werden."
Lebenslanger Kampf für die Rechte der Schwarzen
John Lewis, der stets freundliche Mann aus Troy in Alabama, Jahrgang 1940, hat sein Leben lang für die Rechte der Schwarzen gekämpft. In Nashville, Tennessee, setzte er sich in den 1960er-Jahren an den Tresen von Restaurants, die keine Schwarzen bedienen wollten. Er marschierte mit Martin Luther King 1963 nach Washington und sprach dort als Student für die Jugend.
"Wir wollen unsere Freiheit nicht scheibchenweise, wir wollen sie jetzt", rief Lewis. Zwei Jahre später kam er auf der Edmund-Pettus-Brücke in Selma fast ums Leben, als die Polizei mit Tränengas und Schlagstöcken ihn und Hunderte friedliche Marschierer angriff. Mehr als 40 Mal in seinem Leben wurde John Lewis verhaftet, oft misshandelt. Seit 1986 saß er als Abgeordneter für die Demokraten im Kongress.
Das "Gewissen des Kongresses"
John Lewis sei ein Titan der Bürgerrechtsbewegung geworden, und dann das Gewissen des Kongresses, sagte Nancy Pelosi, die Fraktionsvorsitzende, gestern über ihn. Und da widersprachen die Republikaner einmal nicht.
Obwohl die Welt um ihn herum ihm jeden Grund zur Bitterkeit gegeben hätte, hat er ganz stur jeden mit Respekt und Liebe behandelt, sagte Mitch McConnell, der Chef der Republikaner im Senat.
Sein Motto: Good Trouble - guter Ärger
"Wenn ihr etwas seht, das falsch ist, habt ihr die Verpflichtung, etwas zu tun", legte John Lewis immer wieder jungen Leuten ans Herz.
"Ihr müsst einen Weg finden, euch in den Weg zu stellen", rief er vor ein paar Jahren. "Ihr müsst Ärger bekommen, guten Ärger." "Good Trouble", das war sein Motto, dafür lieben ihn die Menschen, die auch heute wieder zum Kapitol strömen werden. Nicht dabei: der Präsident. Nein, er werde nicht gehen, sagte Trump. John Lewis hat ihn wohl zu oft kritisiert.
Nie die Hoffnung aufgegeben: Washington nimmt Abschied von John Lewis
Katrin Brand, ARD Washington
28.07.2020 06:37 Uhr
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