Hintergrund

Hintergrund Die Akteure im Chaos des Jemen

Stand: 27.03.2015 20:32 Uhr

Die Lage im Jemen ist explosiv und chaotisch. Der Konflikt droht zu einem Stellvertreterkrieg zwischen Sunniten und Schiiten zu werden und damit zwischen deren Schutzmächten Saudi-Arabien und dem Iran. Wer sind die Akteure in dem Machtkampf?

Bereits Anfang des Jahres hatte der Golfkooperationsrat eine eindeutige Warnung an die Huthi-Milizen gerichtet: Man werde handeln, um die Sicherheit der arabischen Halbinsel zu schützen. Nachdem die schiitischen Rebellen aus dem Norden neun von 21 Provinzen des Landes erobert hatten, spitzte sich die Lage diese Woche immer weiter zu.

Als die vom jemenitischen Präsidenten Mansur Hadi zur neuen Hauptstadt des Landes ausgerufene Hafenstadt Aden zu fallen drohte, griff eine Allianz aus zehn Staaten militärisch ein. Es gab Luftschläge im Großraum Sanaa auf Stellungen der Huthi, sowie mit ihr verbündeter Polizei- und Armeeeinheiten.

An der Militäraktion mit dem Namen "Sturm der Entschlossenheit" beteiligten sich neben Saudi-Arabien und anderen Golfstaaten auch Jordanien sowie der Sudan. Auch Ägypten wolle Kampfjets, einen Marineverband und wenn nötig sogar Truppen zur Verfügung stellen, hieß es aus Kairo.

Klare Botschaften gegen die Rebellion

Kamal Aaamer, Chefredakteur von "Rosa al Youssef", einer der ältesten Zeitungen Ägyptens erklärt, auf welche Weise die arabischen Staaten jetzt endlich die Initiative ergreifen: "Wir haben zuerst zugeschaut und dann haben wir nach der Drohung reagiert. Nun ergreifen die Araber die Initiative und agieren, anstatt wie in der Vergangenheit zu reagieren. Diese sogenannte komplette Koordinierung und Abstimmung zwischen Ägypten und den Golfstaaten sendet nun klare Botschaften gegen die Rebellionen in allen arabischen Gebieten."

Es ist aber auch ein Signal an den Iran, der im Verdacht steht, den seit Jahren schwelenden Konflikt zwischen den schiitischen Huthi-Milizen und der sunnitischen Zentralregierung im Jemen zu schüren - mit Waffen und Geld, um eine Art Stellvertreterkrieg zwischen Sunniten und Schiiten weiter am Laufen zu halten an der Südspitze der arabischen Halbinsel. Eine Horrorvision vor allem für das Königreich Saudi Arabien, dem großen Gegenspieler des Iran in der Golfregion.

Ex-Präsident Saleh zieht Fäden im Hintergrund

Im tobenden Machtkampf zwischen den Huthi und der Regierung Hadi zieht offenbar der ehemalige Präsident des Jemen, Al Abdullah Saleh, im Hintergrund geschickt die Fäden. Der heute 73-jährige musste 2012 während der Arabellion gezwungenermaßen sein Amt niederlegen. Seit einiger Zeit, so sagen politische Beobachter im Jemen, ist er wieder aktiv. Ohne Saleh, so die stellvertretende Chefredakteurin der ägyptischen Tageszeitung "Al Ahram, Amaa al Husseiny", wären die Huthi nicht so weit gekommen: "Ohne die Rolle von Saleh, ohne seine Unterstützung der Huthi und ohne seine Pläne, hätten die Huthi nicht solche Erfolge erzielen können und die heutigen Veränderungen wären unmöglich gewesen. Er spielte leider bei den aktuellen Entwicklungen im Jemen eine sehr negative Rolle. Er handelt unter dem Motto: nach mir die Sintflut."

Saleh will offenbar Sohn ins Amt holen

Die Vereinten Nationen werfen Saleh vor, das Chaos im Jemen zu befeuern. Salehs Plan ist es offenbar, seinen Sohn Ahmed ins Präsidentenamt zu hieven, koste es, was es wolle. Saleh befehligte während der Amtszeit seines Vaters die Republikanische Garde, ihm sind auch weite Teile der Armee treu ergeben, die jetzt gemeinsam mit den Huthi kämpfen. Getreue des Ex-Präsidenten sollen die mittellosen Rebellen aus dem Norden des Landes auch finanziell unterstützen. Auch Saleh selbst scheint noch über genügend Geldreserven zu verfügen, trotz der von den Vereinten Nationen eingefrorenen Konten, auf denen Milliarden US-Dollar gebunkert sein sollen.

"Das Ziel der Ansaruaalah-Gruppe und von Saleh zusammen ist mehr als klar. Saleh versucht die Karten neu zu mischen. Er hat die Macht irreversibel verloren, allerdings sind die Huthi in seine Falle gefallen und haben mit ihm eine Allianz im Rahmen einer konfessionellen Mobilisierung gebildet", erklärt der in London lebende jemenitische Politologe Samir Shaibany vor kurzem in einer Talksendung im TV-Sender Al Arabia. Mit konfessioneller Mobilisierung meint Shabany die geschmiedete Allianz zwischen Saleh und den Huthis.

Während seiner Amtszeit hatte der Schiit Saleh seine schiitischen Glaubensbrüder vom Volksstamm der Huthi brutal bekämpft und unterdrückt. Jetzt steht man auf der gleichen Seite. Allerdings mit unterschiedlichen Zielsetzungen. Saleh will in Form seines Sohnes zurück auf die politische Bühne.

Politische Neuordnung nur mit Huthis

Die Huthi fordern schon seit Jahren mehr Mitsprache und mehr Rechte. Um das zu erreichen, schreckte die Stammesführung auch nicht davor zurück, einen Pakt mit dem ärgsten Feind Saleh einzugehen. Ohne die Huthi, das zeichnet sich bereits ab, wird der von internationaler Seite geforderte Dialog zur Beilegung des Konflikts und eine politische Neuordnung im Jemen nicht gelingen.

Nach Ansicht der stellvertretenden Chefredakteurin von Al Ahram, Asmaa al Husseiny, überschätzen die Huthi allerdings, trotz militärischer Erfolge, ihren Einfluss im politischen Gefüge des ärmsten Landes der arabischen Welt: "Niemand kann heute mehr den Einfluss der Huthi leugnen. Sie sind nun ein wichtiger Faktor im Konflikt des Jemens. Sie haben allerdings ein Problem: Sie lassen sich von den momentanen militärischen Erfolgen und von dem Machtvakuum nach dem Zerfall des jemenitischen Regimes blenden, sie sind quasi alleiniger Akteur. Zudem zeigen sie nur Stärke wegen der großen Unterstützung aus dem Iran."

Die Rolle Irans

Wie lange Teheran allerdings den Huthis noch finanziell, logistisch und militärisch den Rücken stärkt, lässt sich nicht abschätzen. Der Iran dürfte auch kein Interesse daran haben, selbst in den Konflikt mit hineingezogen zu werden. Das massive militärische Vorgehen im Jemen, der von Saudi-Arabien geführten Allianz, ist jedenfalls ein klares Zeichen der arabischen Staaten an Teheran: Wir sind bereit.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 27. März 2015 um 17:00 Uhr.