Giorgia Meloni | EPA
Porträt

Italiens Sozialdemokraten Opposition sucht Anti-Meloni

Stand: 28.12.2022 16:53 Uhr

Italiens größte Oppositionspartei PD braucht nach der Wahlniederlage gegen Giorgia Meloni und dem Rücktritt von Parteichef Letta eine neue Führungsfigur. Vor allem zwei Kandidaten ringen derzeit um Aufmerksamkeit und Zustimmung.

Von Jörg Seisselberg, ARD-Studio Rom

Es ist das Duell zweier Kontrahenten, die kaum unterschiedlicher sein könnten: Stefano Bonaccini oder Elly Schlein - Pragmatiker oder Rebellin. Die Frage, wer Herausforderer beziehungsweise Herausforderin von Giorgia Meloni wird, ist für Italiens größte Oppositionspartei auch eine politische Richtungsentscheidung.

Jörg Seisselberg ARD-Studio Rom

In der Region verwurzelt

Als Favorit im Rennen um den Parteivorsitz des sozialdemokratischen Partito Democratico (PD) gilt Bonaccini. Der Präsident der traditionell "roten" Region Emilia-Romagna wirkt mit seiner Glatze, dem Vollbart und der Pilotenbrille wie ein Hipster aus Berlin-Mitte - ist aber ist einer der bodenständigsten italienischen Politiker.

Stefano Bonaccini | picture alliance / ZUMAPRESS.com

Stefano Bonaccini betont seine Bodenständigkeit. Bild: picture alliance / ZUMAPRESS.com

Mit Ehefrau und zwei Kindern wohnt der 55-Jährige immer noch in seinem Geburtsort Campogalliano in der Nähe von Modena - und pflegt sein Image als Politiker, der den Kontakt zum normalen Leben nicht verloren hat: "Ihr kennt mich", sagte Bonaccini bei der Präsentation seiner Kandidatur, "ich bin unterwegs, schaue, gucke, rede mit den Menschen. Das war so in Campogalliano, dann als ich Bürgermeister in Modena war und jetzt als Präsident der Region". So habe er immer politisch gearbeitet und so wolle er weitermachen.

Kosmopolitin mit internationalen Wurzeln

Bonaccinis Kontrahentin Schlein ist für die italienische Politik ungewöhnlich weltgewandt. Die 37-Jährige, Tochter eines Professors aus den USA und einer Professorin aus Italien, besitzt neben dem italienischen Pass auch die amerikanische und Schweizer Staatsbürgerschaft. In Lugano ist Schlein aufgewachsen, hat in Chicago Wahlkampf für Obama gemacht und sich danach in Italien als linke Rebellin gegen das Partei-Establishment profiliert.

Schleins Botschaft bei der Präsentation ihrer Kandidatur in einem römischen Restaurant: "Um die Ungleichheit zu verringern, müssen wir ein fundamentales Wort wiederentdecken: Umverteilung - des Reichtums, des Wissens und der Macht". Am Ende der Vorstellung ihres Programms für einen Linksruck, stimmten Schleins Anhängerinnen und Anhänger spontan das Partisanenlied "Bella Ciao" an.

Zeitweise aus der Partei ausgetreten

Bekannt geworden ist Schlein in Italien 2013 als Teil der parteiinternen Basisbewegung Occupy PD, die Parteisektionen besetzte, um gegen Ränkespiele in der damaligen Führung zu protestieren. Später trat Schlein sogar aus der Partei aus, erst parallel zur jetzigen Kandidatur um den Vorsitz ist sie wieder in den PD zurückgekehrt.

Elly Schlein | AP

Elly Schlein gilt als linke Rebellin gegen das Partei-Establishment. Bild: AP

Bonaccini dagegen hat als Gemeindevertreter für die eurokommunistische KPI begonnen und alle Wandlungen seiner Partei mitgemacht bis zum sozialdemokratischen PD. Heute wirbt Bonaccini, Sohn eines LKW-Fahrers und einer Fabrikarbeiterin, mit Realpolitik - und mit seiner Erfolgsbilanz in der linken Vorzeigeregion Emilia-Romagna, die mit hohen Wachstumsraten, niedrigen Arbeitslosenquoten und einem der landesweit besten Sozialsysteme glänzt: "Seit acht Jahren regiere ich die Emilia-Romagna mit den Zahlen und den Erfolgen, die für alle sichtbar sind".

Schlein gibt sich rebellisch und prinzipientreu

Schlein wirbt für einen Generationswechsel in der Partei - und ruft die jungen Mitglieder auf, rebellisch zu sein. Ihr Ratschlag an ihre jungen Unterstützer: "Fragt nie um Erlaubnis, um Erneuerung zu erreichen. Schämt euch nie für das, was ihr zu sagen habt. Seid frei, es zahlt sich aus, seinen Ideen treu zu bleiben".

Schlein, die nach eigenen Angaben bisexuell ist, will auch mehr Rechte für die LGBT+-Community - aber wehrt sich dagegen, von ihren Gegnern auf dieses Thema reduziert zu werden. Es sei, sagt sie, "nicht gesund" über eine Person zu sagen, sie würde sich "nur" um Bürgerrechte kümmern und dabei so zu tun, als hinge dies mit ihrer sexuellen Orientierung zusammen.

Rennen könnte knapp werden

Schlein, die vor vier Monaten als Unabhängige auf der Liste des PD ins Parlament gewählt wurde, bekommt für ihre Kandidatur viel Rückenwind in den sozialen Netzwerken. Auch die linksliberale Zeitung "La Repubblica" preist Schlein als "neues Gesicht" der italienischen Linken. Bonaccini stützt sich dagegen unter anderem auf den Rückhalt von vielen prominenten Bürgermeistern.

Am 18. Februar werden die Mitglieder und Sympathisanten des PD abstimmen. Das Rennen könnte knapp werden. Letzte Umfragen unter PD-Wählern sehen Bonaccini mit 48 Prozent vorn, Elly Schlein aber kommt näher, mit mittlerweile 41 Prozent Zustimmung. Zwei weitere Bewerber, die ehemalige Verkehrsministerin Paola De Micheli und der Parlamentsabgeordnete Gianni Cuperlo, gelten dagegen nur als Zählkandidaten.

Über dieses Thema berichtete BR24 am 28. Dezember 2022 um 21:20 Uhr.