Ultraorthodoxe Juden beten mit Mundschutz und Tüchern vor einem Wohnhaus.

Corona-Krise in Israel Mathematiker suchen nach Exit-Strategie

Stand: 15.04.2020 09:13 Uhr

In Israel hat ein Viertel der Bevölkerung ihre Jobs verloren, die Nerven liegen blank. Ein Vorschlag von Mathematikern sieht vor, die Bürger in zwei Gruppen aufzuteilen.

Im israelischen Fernsehkanal 12 kam es vor wenigen Tagen zu einem Eklat. Zwei Männer stritten über den richtigen Umgang mit dem Coronavirus. Der eine ein Wirtschaftsberater von Premier Benjamin Netanyahu. Der andere Harel Wiesel, Chef einer israelischen Bekleidungsfirma.

Sie saßen nebeneinander, schrien und kamen sich nahe. In Corona-Zeiten vielleicht etwas zu nahe. "Ich hoffe, dass Sie kein Corona haben, denn Sie spucken beim Sprechen", sagte Netanyahus Berater. "Entschuldigung", sagte der Unternehmenschef. "Ich hoffe, dass wir beide kein Corona haben und Sie und Ihre Familie gesund bleiben."

Ein Viertel ist derzeit ohne Arbeit

Auch in Israel liegen die Nerven in diesen Tagen manchmal blank. Auch die Geschäfte von Wiesels Modekette Fox haben im Moment geschlossen. In Israel herrschte bis vor kurzem praktisch Vollbeschäftigung. Mittlerweile aber liegt die Arbeitslosenquote bei 25 Prozent.

Wiesel will von der Regierung endlich wissen, wann der Shutdown beendet wird. "Wir brauchen klare Ansagen. Noch vor zwei Tagen dachten wir, wir würden nach dem Wochenende zurückkehren. Jetzt heißt es, dass Netanyahu am Donnerstag Bescheid geben will. Es geht doch nicht, dass das Volk nicht Bescheid weiß."

Netanyahu stellt Fahrplan in Aussicht

In Israel laufen gerade noch die Ferien des Pessachfestes. Es gelten strikte Ausgangsbeschränkungen. Die Ausbreitung des Coronavirus hat sich nach Einschätzung der Regierung verlangsamt. Netanyahu verspricht eine baldige Entscheidung in Sachen Exit. "Zum Wochenende hin werden wir eine endgültige Entscheidung ausarbeiten. Die bezieht sich sowohl auf die Wirtschaft als auch auf das Bildungssystem. Auch wenn wir jetzt stufenweise einen Ausstieg planen, werden das langsame Schritte voller Verantwortung sein", sagt er.

Innerhalb Israels Regierung kommt es in der Corona-Krise immer wieder zu Spannungen. Das Finanzministerium fordert ein möglichst schnelles Ende der Beschränkungen. Dessen Vertreter warnen vor katastrophalen wirtschaftlichen Konsequenzen. Auf der anderen Seite steht das Gesundheitsministerium. Das warnt vor einem zu schnellen Ende der Einschränkungen. Eine Linie, die auch Siegal Sadetzki vertritt. Sie leitet im Ministerium den Sektor für öffentliche Gesundheitsdienste.

Gesundheitsministerium mahnt Vorsicht an

"Aus Sicht des Gesundheitsministeriums müssen wir weiterhin sehr vorsichtig bleiben", sagte sie dem Radiosender KAN. "Die bisherigen Maßnahmen waren sehr erfolgreich mit Blick auf eine niedrige Sterberate. Ich will nicht, dass wir unfähig werden, die Zahl der Infektionen zu begrenzen. Wir dürfen keine Fehler machen und nicht in Versuchung geraten. Die Gefahr ist da, sie ist real", so Sadetzki.

Auch Israel steht also vor schwierigen Entscheidungen - und muss die Gesundheit seiner Bürgerinnen und Bürger gegen mögliche wirtschaftliche Schäden abwägen. Am Donnerstag will sich Netanyahu im Nationalen Sicherheitsrat mit verschiedenen Vorschlägen befassen. Auf dem Tisch liegen die Ideen des Gesundheits- und des Finanzministeriums.

Zwei-Gruppen-Modell

Aber auch Forscher der Universitäten des Landes haben sich gemeldet. Mathematiker der Bar-Ilan-Universität wollen die Bevölkerung Israels in zwei Gruppen einteilen. Nur jeweils eine Gruppe darf nach draußen. Die andere Gruppe muss zu Hause bleiben. Nach einer Woche gibt es einen Wechsel.

Mit diesem Modell soll die Zahl der Kontakte reduziert werden. Verringert werden soll so auch die Zahl jener, die ohne Symptome sind und in der Öffentlichkeit dennoch andere Menschen anstecken. So soll der Shutdown zumindest teilweise beendet werden - ohne eine neue Infektionswelle zu riskieren.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 15. April 2020 um 06:25 Uhr.