Fragen und Antworten zur Wahl im Iran Präsident oder Ajatollah Chamenei - wer hat die Macht?

Stand: 11.06.2009 09:29 Uhr

Morgen wählt der Iran seinen Präsidenten. Doch welche Macht hat dieser im Vergleich zum geistlichen Oberhaupt? Wie ist die Haltung der vier Kandidaten zum Atomprogramm? Und welche Rolle spielt die Wirtschaft? tagesschau.de hat Fragen und Antworten zusammengestellt.

Wie ist die Islamische Republik aufgebaut?

Nach der Revolution 1979 stimmten die Iraner mit großer Mehrheit für die Errichtung einer islamischen Republik anstelle der von den USA unterstützten Monarchie. Später nahmen sie eine neue Verfassung an, die demokratische Elemente mit einer Herrschaft ungewählter Religionsgelehrter verbindet. Entsprechend ist der Präsident komplett dem Obersten Führer - einer Art geistlichem Oberhaupt - untergeordnet. Das Parlament wird von den zwölf ernannten Mitgliedern des Wächterrates kontrolliert. Der Iran bezeichnet das System als islamische Demokratie, Kritiker sehen dagegen alle wirkliche Macht bei ungewählten Religionsgelehrten. Der schiitische Islam ist im Iran Staatsreligion.

Wie groß ist die Macht des Präsidenten?

Theoretisch ist der Präsident nur dem Obersten Führer untergeordnet, also seit 1989 Ajatollah Ali Chamenei. In der Praxis wird seine Handlungsfreiheit zudem durch eine Reihe ernannter Gremien beschränkt, die zum großen Teil mit konservativen Klerikern besetzt sind. Dazu gehört der Wächterrat. Sie haben den derzeitigen Amtsinhaber Mahmud Ahmadinedschad gestützt, sich jedoch gegen dessen Vorgänger Mohammed Chatami gestellt.

Welche Aufgaben hat der Präsident?

Er ist für die Wirtschaftspolitik zuständig und führt zusammen mit seinen Ministern die Tagesgeschäfte der Regierung. Er ist der Vorsitzende des Nationalen Sicherheitsrates, der für die Koordinierung der Verteidigungs- und Sicherheitspolitik zuständig ist. Er kann Verträge mit ausländischen Regierungen abschließen. Grundsätzliche Entscheidungen überlässt er dem Obersten Führer.

Welche Aufgaben hat Ajatollah Ali Chamenei?

Der von der Expertenversammlung - zu der nur Religionsgelehrte mit dem Plazet des Wächterrats gewählt werden können - ernannte Oberste Führer hat das letzte Wort bei grundsätzlichen Fragen wie dem Atomprogramm des Landes oder den Leitlinien der Innen- und Außenpolitik. Dazu würde auch die Frage einer Wiederherstellung der Beziehungen zu den USA gehören. Zudem kontrolliert er die Streitkräfte und Geheimdienste. Er ernennt auch die Chefs von Justiz, Staatsrundfunk und entscheidet über andere Schlüsselposten.

Wie ist die Haltung der vier Kandidaten zum Atomprogramm?

Keiner der vier Kandidaten hat eine Änderung der Atompolitik des Landes in Aussicht gestellt. Alle verweisen darauf, dass für solche grunsätzlichen Fragen das geistige Oberhaupt Ajatollah Ali Chamenei zuständig ist. Auch hat kein Kandidat vorgeschlagen, dass der Iran - wie von der UNO gefordert - sein Uran-Anreicherungsprogramm aussetzen könnte.

Welche Themen haben im Wahlkampf ansonsten eine Rolle gespielt?

Wie bei der Wahl 2005 wollen alle Kandidaten die Beziehungen zu den USA verbessern. Allerdings überwog im Wahlkampf die Forderung, die USA müssten ihre Einstellung "grundsätzlich ändern". Alle Kandidaten versprechen zudem, sich für die Meinungsfreiheit einzusetzen und Frauen eine größere Rolle in der Regierung und bei politischen Entscheidungen zu geben. Karubi und Mussawi werfen Ahmadinedschad vor, eine zu harte Linie bei der Umsetzung von islamischen Kleidungsvorschriften und Umgangsformen zu vertreten.

Welche Rolle spielt die Wirtschaftspolitik?

Sie dürfte für die Wahl entscheidend sein, denn die Wirtschaftslage im Iran ist schlecht. Vom Anstieg des Ölpreises in den vergangenen Jahren hat das Land kaum profitiert, weil es mangels ausreichender Raffinerien trotz seiner großen Erdölvorkommen Brennstoff importieren musste. Auch die wirtschaftlichen Sanktionen des UN-Sicherheitsrats haben sich negativ auf die Wirtschaft ausgewirkt. Die Arbeitslosigkeit ist hoch, die Inflationsrate liegt im zweistelligen Bereich.

Welche Vorschläge zur Wirtschaft haben die Kandidaten?

Alle vier Kandidaten haben nur wenige konkrete Vorschläge vorgelegt, wie sie die Wirtschaft in Gang bringen wollen. Karrubi will Einkünfte aus dem Öl-Geschäft an alle Iraner verteilen, die älter als 18 Jahre sind, und befürwortet eine größere Privatisierung. Mussawi befürwortet eine Liberalisierung der Wirtschaft. Amtsinhaber Ahmadinedschad will die Armut bekämpfen und die Abhängigkeit von der Erdöl-Produktion verringern.

Welche Rolle spielt die Wahlbeteiligung?

Eine große. Denn die geringe Beteiligung bei der Wahl 2005 gilt als einer der Hauptgründe für den überraschenden Wahlsieg des damaligen Außenseiters Ahmadinedschad. Sollte die Wahlbeteiligung diesmal hoch sein, dürften davon vor allem die eher gemäßigten Kandidaten Mussawi und auch Karrubi profitieren. Entscheidend ist vor allem, ob es ihnen gelingt, die jungen Wähler zu mobilisieren. Sie waren es, die dem Reformer Mohammed Chatami 1997 und 2001 zu seinen Wahlsiegen verhalfen. Mehr als zwei Drittel der 70 Millionen Iraner sind noch keine 30 Jahre alt.