Hintergrund

Irans Außenpolitik Zurück aus der Isolation

Stand: 20.09.2013 14:21 Uhr

Er bietet sich als Vermittler in Syrien an, er zeigt sich im Atomkonflikt verhandlungsbereit: Der neue Präsident Rohani muss den Iran aus der Isolation führen, um die Wirtschaftskrise im Land beenden zu können. Für den neuen Kurs hat er offenbar auch die Unterstützung des geistlichen Oberhaupts, Ajatollah Ali Chamenei.

Von Silvia Stöber, tagesschau.de

In Kürze betritt der neue iranische Präsident Hassan Rohani die weltpolitische Bühne. Bei der UN-Generalversammlung in New York wird er seinen ersten großen Auftritt haben. Anders als bei den jährlichen Reden seines Vorgängers Mahmud Ahmadinedschad vor dem UN-Plenum ist nicht mit einem Eklat zu rechnen. Statt aus Protest den Saal zu verlassen, werden die Vertreter des Westens genau hinhören.

Reinhard Baumgarten, R. Baumgarten, ARD Istanbul, 20.09.2013 14:01 Uhr

Denn schon im Vorfeld verdeutlichte Rohani, dass er sein Land aus der Isolation führen will, in die es während der vergangenen acht Jahre unter Ahmadinedschad geraten war. Dazu gehört eine Annäherung an die USA, vor allem aber Kompromissbereitschaft im Konflikt um das iranische Atomprogramm. So erklärte Rohani nun in einem Interview mit dem US-Sender NBC, der Iran strebe unter keinen Umständen den Besitz oder den Einsatz von Massenvernichtungs- und Atomwaffen an. "Wir wollen einfach eine nur eine friedliche nukleare Technologie."

Rohani macht Zusagen glaubhafter

Diese Ansage ist nicht neu. Auch Ahmadinedschad hatte betont, sein Land strebe nicht nach einer militärischen Nutzung der Atomkraft. Das geistliche Oberhaupt des Iran, Ajatollah Ali Chamenei, hatte im vergangenen Jahr per Fatwa erklärt, Herstellung und Einsatz von Atombomben widersprächen islamischen Vorschriften. Diese Aussagen vermochten jedoch bislang die Zweifel an der Friedfertigkeit des iranischen Atomprogramms nicht zu zerstreuen. Zu oft verstieß der Iran gegen Vereinbarungen mit der Internationalen Atomenergiebehörde.

Nun sei der Kontext ein neuer, sagt Volker Perthes, Direktor des Deutschen Instituts für Internationale Politik. Die Botschaft wirke jetzt glaubwürdiger, denn "da ist Rohani selbst, der sich auf eine deutliche Mehrheit in der Bevölkerung stützen kann. Schon im Wahlkampf sagte er, es sei wichtiger, die Wirtschaft flott zu machen, als immer mehr Zentrifugen zu bauen", sagte Perthes im Gespräch mit tagesschau.de.

Folgen den Worten auch Taten?

Diesen Kurs setzt Rohani seit der Amtsübernahme Anfang August fort und erhält dafür Rückendeckung von Chamenei, der als geistliches Oberhaupt das letzte Wort in allen strategischen Belangen der iranischen Politik hat. Als einen Beleg für die Unterstützung wertet Perthes Chameneis Worte. Dieser hatte gesagt, Flexibilität bei den Atomverhandlungen sei auch eine Form des Heroismus. Rohani selbst erklärte im NBC-Interview, er habe die Zuständigkeit und die Kompetenz, bei den Ende September anstehenden Atomgesprächen Entscheidungen zu treffen.

Diese Botschaften aus Teheran wurden bei der EU in Brüssel aufmerksam zur Kenntnis genommen. Doch: "Den positiven Ankündigungen müssen nun auch rasch konkrete Taten und Schritte folgen", erklärt Helga Schmid im Interview mit tagesschau.de. Sie ist als Vertreterin der EU-Außenbeauftragten Catherine Ashton und stellvertretende Generalsekretärin für politische Angelegenheiten beim Europäischen Auswärtigen Dienst an den Atomverhandlungen mit dem Iran beteiligt. Die von Chamenei angesprochene Flexibilität sei natürlich unerlässlich. Nun müsse der Iran aber auch ernsthafte Anstrengungen unternehmen, "die Zweifel der internationalen Gemeinschaft über die friedliche Ausrichtung des iranischen Nuklearprogramms vollständig auszuräumen."

Die Sanktionen schmerzen

Die Bereitschaft dazu ist bei Rohani offenbar vorhanden. Denn im Wahlkampf versprach er, die Wirtschaftskrise seines Landes in den Griff zu bekommen und die Arbeitslosigkeit zu senken. Größtes Hindernis sind die internationalen Sanktionen als Strafe für die intransparente Atompolitik. Wegen des Ölembargos des Westens kamen dem Iran fast 60 Prozent seiner Einnahmen abhanden.

Der stark eingeschränkte Bankverkehr behindert den Im- und Export von Produkten erheblich. Iranische Unternehmer wichen in Nachbarländer wie Armenien und Georgien aus und versuchten dort, Geschäfte aufzubauen. Aber auch dies wurde erschwert, da Bürgern des Iran meist die Eröffnung von Konten und die Nutzung von Kreditkarten verweigert wird. Perthes betont: "Wenn man nicht will, dass die gut ausgebildeten Eliten Iran in Richtung Türkei, USA und Europa verlassen, dann muss man die Wirtschaft zum Laufen bringen. Dazu muss man die Sanktionen wegbekommen und das geht nur über eine diplomatische Lösung im Atomstreit."

Aufgrund des enormen Sanktionsdrucks schwenkte der Iran vor mehr als einem Jahr in diese Richtung ein: "Die umfassenden EU-Sanktionen haben bereits Anfang 2012 zur Rückkehr Irans an den Verhandlungstisch geführt. Und dann ist mit Präsident Rohani ein Kandidat gewählt worden, der klar für eine moderate Haltung gegenüber dem Westen und eine Verbesserung der Wirtschaft aufgetreten ist", hebt Schmid hervor.

Iran will im Syrien-Konflikt mitreden

Ein weiterer Grund bewegt Rohani offenbar zu einer moderaten Haltung: Der Iran soll international eine neue Rolle einnehmen, vor allem jetzt, da die internationale Diplomatie im Syrien-Konflikt aktiv ist. Der Iran ist einer der wenigen Verbündeten von Präsident Baschar al Assad.

"Rohani hat sicher ein Interesse daran, wahrgenommen zu werden, und zwar nicht als Teil des Problems, sondern als Teil der Lösung", erklärt Nahost-Experte Perthes. So habe Rohani bereits Interesse an der Einladung iranischer Vertreter signalisiert, wenn es in Genf eine weitere Konferenz zur Lösung des Syrien-Konfliktes geben sollte. Zudem brachte sich Rohani als Vermittler zwischen den syrischen Kriegsparteien ins Gespräch.

Rafsandschani macht syrische Führung verantwortlich

Der Syrien-Konflikt werde für Rohani zu einem innenpolitischen Problem, so Perthes. Angesichts bitterer Erfahrungen mit dem Einsatz von Chemiewaffen durch die Iraker sei man sich einig, dass Giftgas nicht verwendet werden dürfe. Offiziell würden bislang die Rebellen für den Chemiewaffen-Einsatz verantwortlich gemacht, was aber im Iran zunehmend infrage gestellt werde. So habe kürzlich Ex-Präsident Akbar Hashemi Rafsandschani die syrische Führung als Urheber bezeichnet.

"Iran wird aus geopolitischen Gründen immer ein Interesse daran haben, eine starke Beziehung zu Syrien zu pflegen, aber unabhängig davon, wer da regiert", erklärt Perthes. So könne die Allianz mit Assad mittelfristig zur Disposition gestellt werden.

Erste Begegnung in New York

Eine konstruktive Haltung des Iran in der Syrien-Frage könnte US-Präsident Barack Obama helfen, eine diplomatische Lösung für den Konflikt zu finden. Perthes wertet es als Fortschritt, dass Obama und Rohani einander nicht nur Briefe schicken, sondern dass beide Seiten auch offen darüber sprechen. Obama komme dem Iran entgegen, indem er Respekt für dessen Sicherheitsinteressen bekunde, wozu allerdings nicht die Entwicklung einer Atombombe gehöre. Auf dieser Basis könnten durchaus Fortschritte erzielt werden, so Perthes.

Ein Treffen zwischen Obama und Rohani bei der UN-Generalversammlung ist bislang nicht geplant. Aber der iranische Außenminister Mohammed Dschawad Sarif wird mit der EU-Außenbeauftragten Ashton zusammentreffen. "Das geplante Gespräch in New York wird sehr wichtig werden", so Ashtons Stellvertreterin Schmid. Ashton und Sarif hätten schon mehrfach telefoniert. Ashton habe die Bereitschaft erklärt, die Atomverhandlungen unverzüglich wieder aufzunehmen. Bislang warte man aber noch auf die Ernennung eines Chefverhandlers der iranischen Seite.

Perthes zufolge zeichnen sich Kompromisslinien ab, die auch dem iranischen Regime nahestehende Wissenschaftler skizziert hätten. Dazu zählten die Umwandlung von bereits mittelhoch angereichertem Uran in Brennstäbe oder die Rückumwandlung in niedrig angereichtes Uran. Von der Höhe des Anreicherungsgrades von Uran hängt es ab, ob Atombomben hergestellt werden können. Perthes nennt außerdem die Begrenzung des Atomprogramms und eine stärkere Kontrolle durch die Internationale Atomenergiebehörde: "Man wird letztlich eine Lösung dafür finden, dass der Iran sein Atomprogramm behalten kann. Es wird aber so deutlich limitiert und kontrolliert, dass es international keine Sorge mehr gibt, es könnte zur Entwicklung einer Atombombe genutzt werden."