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Proteste im Iran Demonstranten ignorieren Warnung des Regimes

Stand: 30.10.2022 16:48 Uhr

Die Drohung der gefürchteten iranischen Revolutionsgarden gestern war überdeutlich: Sofort müssten die "Unruhen" im Land aufhören. Die Regimegegner ließen sich davon aber nicht einschüchtern - vor allem an Universitäten gab es neue Proteste.

Die Drohung war nicht misszuverstehen: Die Demonstranten im Iran sollten die "Geduld des Systems nicht überstrapazieren. Heute ist der letzte Tag der Unruhen", sagte der Kommandeur der Revolutionsgarden, Hussein Salami, am Samstag. Zwar ließ er offen, welche Folgen es haben werde, wenn seine Warnung nicht beachtet wird - allerdings war dies auch nicht nötig, denn die Revolutionsgarden sind im Iran wegen ihrer Brutalität berüchtigt und gefürchtet.

Trotzdem setzten auch in der Nacht zum Sonntag Tausende Studierende ihre Proteste gegen die autoritäre Führung fort. Sicherheitskräfte gingen auf einem Campus in der Pilgerstadt Maschhad im Nordosten des Landes gewaltsam gegen Hunderte Studenten vor, wie Augenzeugen berichteten. Auch in vielen weiteren Städten gab es Proteste gegen den Kurs der Regierung und das islamische Herrschaftssystem.

Videos aus sozialen Netzwerken zeigten erneut gewaltsame Zusammenstöße zwischen Studenten und Sicherheitskräften. In einem der Videos sind Schüsse aus nächster Nähe auf Studenten in einer Universität in der Hauptstadt Teheran zu sehen. In anderen Videos sind sie zu hören. Solche Aufnahmen sind allerdings nur sehr schwer zu verifizieren.

Weitere Eskalation befürchtet

Beobachter der Situation im Iran rechnen damit, dass Salamis Drohung als letzte Mahnung verstanden werden muss, die Proteste umgehend zu beenden. Sonst, so die Befürchtung, könnten demnächst auch Militär und Revolutionsgarden gegen die Protestierenden eingesetzt werden - und die Situation noch einmal dramatisch verschärfen. Noch mehr Todesopfer und Verhaftungen könnten die Folge sein.

Menschenrechtsorganisationen schätzen, dass bei den Protesten bislang etwa 250 Menschen getötet und mehr als 10.000 Menschen verhaftet worden sind. Auslöser der massiven landesweiten Proteste war der Tod der 22 Jahre alten iranischen Kurdin Mahsa Amini im Polizeigewahrsam Mitte September. Ihr wurde damals vorgeworfen, gegen die iranische Kleiderordnung verstoßen zu haben.

Deutlich mehr Geld für Sicherheitskräfte

Die religiösen Führer des Iran brandmarken die Proteste als "ausländische Verschwörung" - vor allem der USA und Israels - und ignorieren die Forderungen der Demonstranten. Allerdings wächst durch die seit Wochen anhaltenden Proteste der Druck auf das Regime und die Sicherheitskräfte im Land. Jetzt beschloss das Parlament für die Sicherheitskräfte eine massive Lohnerhöhung: 20 Prozent mehr sollen sie künftig bekommen und damit bessergestellt werden als zivile Angestellte des Staates.

Baerbock verspricht Neuausrichtung der Iran-Politik

Die Proteste haben weltweit eine Welle der Solidarität ausgelöst - auch in Deutschland. Allein an diesem Wochenende gingen in Städten wie Köln, Berlin oder Düsseldorf erneut Tausende Menschen auf die Straße. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock erklärte im Bericht aus Berlin, auch die Bundesregierung werden ihre Iran-Politik angesichts der "furchtbaren Situation" neu ausrichten: Unter anderem werde man ein weiteres Sanktionspaket auf den Weg bringen und prüfe, ob die Revolutionsgarden als "terroristische Vereinigung" eingestuft werden können. Das Atomabkommen mit Teheran auf Eis zu legen, lehnte Baerbock allerdings ab. "Ein Iran mit einer Atombombe bringt noch mehr Unheil für die Menschen im Land und in der Region", sagte sie.

Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 29. Oktober 2022 um 18:29 Uhr.