
Parlamentswahl im Iran "Ich will viele Wähler sehen"
Stand: 21.02.2020 12:44 Uhr
Im Iran hofft die Führung auf eine hohe Wahlbeteiligung: Sie soll beweisen, dass die Menschen Vertrauen in das System haben. Viele drücken mit der Abstimmung vor allem ihre antiamerikanische Haltung aus.
Von Karin Senz, ARD-Studio Istanbul, zzt. Teheran
Ein Taxifahrer gegenüber eines Wahllokals, das in einer Moschee ist, schaut etwas abfällig auf den Eingang. Da sei bis jetzt kaum einer reingegangen, sagt er am Vormittag. Tatsächlich hält sich der Andrang in Grenzen.
Fatameh ist allerdings schon sehr früh da, um ihre Stimme abzugeben: "Wir wollen vor allem nicht die Erwartungen der USA erfüllen. Die wollen, dass wir nicht wählen", sagt sie. "Aber wir werden immer hinter unserem Führer und unserem Land stehen." Die USA wollten, dass der Iran zu ihrer Kolonie wäre, sagt die Frau. "Aber wir wollen frei und unabhängig sein."
Die 56-Jährige sagt, sie wähle nicht nach politischem Lager, sondern die Politiker, die sie kenne und denen sie zutraue, die Probleme zu lösen. Denn Probleme gebe es, meint sie:
"Es gibt Inflation im Iran, aber nur wegen den USA, weil sie uns sanktioniert haben. Diese Wirtschaftsprobleme und die Inflation sind normal, aber eben nur wegen den USA."
Dann steigt sie paar Treppen rauf in das Wahllokal, um zu wählen. Drinnen gibt es keine Kabinen. Jeder trägt die Namen seiner Kandidaten an einem Tisch in eine Liste ein.
Parlamentswahlen in Iran: eine niedrige Wahlbeteiligung zeichnet sich ab
tagesschau 20:00 Uhr, 21.02.2020, Katharina Willinger, ARD Teheran
Chamenei und Rouhani haben schon gewählt
Der Oberste Führer Ajatollah Chamenei war einer der ersten, der am frühen Morgen gewählt hat. Auch Außenminister Mohammad Dschwaad Zarif und Präsident Hassan Rouhani haben schon gewählt.
"Wir hoffen, dass es die besten ins Parlament schaffen, um viel für Menschen zu tun", sagte Rouhani. "Wir wollen ein starkes Parlament, bei dem die Menschen sehen, dass es ihre Probleme löst." Er zählt zum Lager der Reformer.
Viele seiner Kandidaten hatte der Wächterrat nicht zugelassen. Alireza sieht das nicht kritisch. "Das ist nichts Neues, sowas gibt’s auch in anderen Ländern", meint er. "Und es ist ja auch gut so. Wenn man in einem Büro einen Chef sucht, dann passt ja auch nicht jeder, oder?"
Nicht alle, die ins Wahllokal kommen, stimmen auch ab
Ahmed ist zwar im Wahllokal, aber der 40-Jährige wählt nicht. Für ihn habe das nichts mit Demokratie zu tun, sagt er leise: "Meine Familie ist religiös. Ich bin sehr traditionell aufgewachsen. Aber für mich verbietet es die Religion, dass man jemanden wählt, der seinen Job nicht macht."
Ahmed hat seinen Mundschutz vom Gesicht gezogen, um zu erzählen. Er habe sich das genau angesehen, sagt er: "Meiner Meinung nach haben die, die in den letzten Jahren ins Parlament eingezogen sind, nichts für die Leute gemacht."
Einige der Wähler waschen sich die Hände, nachdem sie ihre Stimme abgegeben haben. Erst vor kurzem wurde bekannt, dass auch im Iran zwei Menschen am Coronavirus gestorben sind. Alireza hat keine Angst, dass er sich ansteckt.
Er glaubt: "Die USA haben China mit dem Coronavirus angegriffen. Das hat eine Epidemie in vielen Ländern ausgelöst. Aber das ist kein Problem. Das Gesundheitsministerium hat gesagt, es gebe weniger Corona-Tote als Grippe-Tote. Man hat das unter Kontrolle. Also, das ist Propaganda, wir erwarten von den USA nichts anderes."
Die Führung will, dass möglichst viele Menschen wählen
Möglicherweise wird auch die Angst vor einer Ansteckung auf die Wahlbeteiligung drücken. Die Führung will, dass möglichst viele Menschen wählen, um zu zeigen, dass die Menschen Vertrauen in die Wahl haben.
Die 56-jährige Fatahmeh sieht das ähnlich: "Das wäre schon wichtig. Ich will viele Wähler an der Urne sehen", sagt sie.
Parlamentswahlen im Iran haben begonnen
Karin Senz, ARD Istanbul
21.02.2020 12:22 Uhr
Video
Audio
Aus dem Archiv
Weitere Meldungen aus dem Archiv vom 21.02.2020
- Alle Meldungen vom 21.02.2020 zeigen