Wrackteile der ukrainischen Passagiermaschine

Abgestürztes Flugzeug Iran räumt "unbeabsichtigten" Abschuss ein

Stand: 11.01.2020 09:36 Uhr

Die abgestürzte ukrainische Passagiermaschine ist laut iranischem Militär "unbeabsichtigt" von Teheran abgeschossen worden. Präsident Rouhani entschuldigte sich. Der ukrainische Präsident forderte eine vollständige Untersuchung.

Der Iran hat eingeräumt, das ukrainische Passagierflugzeug mit 176 Menschen an Bord versehentlich abgeschossen zu haben. Die iranische Armee teilte in einer Presseerklärung im Staatsfernsehen mit, die Maschine sei für ein "feindliches Flugzeug" gehalten worden. Es handele sich um "menschliches Versagen". 

Nach Angaben der Streitkräfte gab es an dem Unglückstag mehrere US-Drohungen, iranische Ziele anzugreifen. Daher habe im iranischen Militär "höchste Alarmbereitschaft" geherrscht. Nachdem sich dann die ukrainische Maschine einer "strategisch wichtigen Militäranlage" genähert habe, sei dies "versehentlich" als eine Drohung eingestuft worden, hieß es in der Presseerklärung.

Iran entschuldigt sich für "Fehler

Das Militär entschuldigte sich in der Stellungnahme für das Unglück und kündigte eine Verbesserung seiner Systeme an, um solche "Fehler" in Zukunft zu verhindern. Die Verantwortlich würden innerhalb des Militärs zur Rechenschaft gezogen. Präsident Hassan Rouhani schrieb auf Twitter, der Iran bedauere den "katastrophalen Fehler" zutiefst. Er sprach den Hinterbliebenen der Insassen sein Beileid aus. Außenminister Mohammed Dschawad Zarif gab den USA eine Mitschuld: Der Abschuss sei Folge eines "menschlichen Fehlers in Krisenzeiten, verursacht durch die US-Abenteuerpolitik", erklärte er.

Die Boeing 737 der ukrainischen Fluggesellschaft UIA war am Mittwochmorgen in der Nähe von Teheran abgestürzt, alle 176 Insassen wurden getötet. Kurz vor dem Absturz der Maschine hatte der Iran mehrere Raketenangriffe auf zwei von den US-Streitkräften genutzte Militärstützpunkte im Irak geflogen.

Selenskyj fordert "volle und offene Untersuchung"

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj forderte den Iran auf, die Schuldigen zur Verantwortung zu ziehen und Entschädigungen zu zahlen. "Der Morgen heute war nicht gut, aber zumindest brachte er die Wahrheit ans Licht", schrieb Selenskyj auf Facebook. Er erwarte ein volles Schuldeingeständnis und eine offizielle Entschuldigung über diplomatische Kanäle. Zudem sollten die Körper der Toten in ihre Heimatländer überstellt werden.

Der ukrainische Präsident betonte, dass er von Teheran eine "volle und offene Untersuchung" erwarte. "Wir hoffen, dass die Ermittlungen ohne vorsätzliche Verzögerungen und Hindernisse fortgesetzt werden", schrieb er. Die Experten aus der Ukraine sollten weiterhin vollen Zugang zu möglichem Beweismaterial erhalten.

Wolodymyr Selenskyj

Der ukrainische Präsident Selenskyj fordert eine offizielle Entschuldigung aus Teheran.

Beweise zu offensichtlich?

Trotz vermehrter Mutmaßungen - unter anderem westlicher Regierungschefs - in den vergangenen Tagen, dass das Flugzeug versehentlich von einer iranischen Rakete getroffen worden sein könnte, hatte Teheran dies zunächst kategorisch dementiert. Laut ARD-Korrespondent Thomas Bormann waren die Beweise aber wohl zu offensichtlich, als dass der Iran bei seiner Version von einem technischem Defekt hätte bleiben können. Auf Fotos von Wrackteilen waren Spuren von Einschusslöchern zu erkennen. Und einige Experten hatten sofort vermutet: Das sieht aus, als sei das Flugzeug von einer Luftabwehrrakete getroffen worden.

Gestern hatten sich bereits mehrere EU-Staaten, sowie die USA und Kanada davon überzeugt gezeigt, dass es sich um einen wohl versehentlichen Abschuss durch den Iran handeln müsse. Unter den Absturzopfern waren 57 Kanadier.

Indes standen die Zeichen im Konflikt zwischen den USA und dem Iran nach den gezielten Militärschlägen vorerst auf Entspannung. Die Lage am Persischen Golf war eskaliert, nachdem die USA den iranischen Top-General Ghassem Soleimani Ende vergangener Woche in Bagdad gezielt getötet hatten.

Nach dem Angriff des Irans auf die von den USA genutzten Militärbasen im Irak hatten US-Präsident Donald Trump und Irans Präsident Hassan Rouhani angekündigt, den Konflikt zunächst auf politischer Ebene führen zu wollen.

  

Internationale Ermittlungen

Am Freitag hatten die Ermittlungen zur Ursache des Absturzes begonnen. Iranische und ukrainische Experten nahmen ihre Arbeit in einem Labor am Flughafen Mehrabad in der Hauptstadt Teheran auf, wie der Leiter der iranischen Luftfahrtbehörde, Ali Abedsadeh, bekanntgab. Ihr Ziel sei die Auswertung der beiden schwer beschädigten Flugschreiber - des Flugdatenschreibers und des Aufzeichners der Geräusche in der Pilotenkanzel.

Laut Regierungssprecher Ali Rabiei hatte der Iran auch Boeing eingeladen, an den Untersuchungen teilzunehmen. Die europäische Flugsicherheitsbehörde EASA hatte nach dem Absturz von Flügen über den Iran abgeraten. Zuvor hatte die EASA bereits empfohlen, Flüge über den Irak zu vermeiden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 11. Januar 2020 um 06:00 Uhr.