
Folgen des Klimawandels Die Insel, die im Meer versinkt
Die indische Insel Ghoramara ist knapp fünf Quadratkilometer groß - noch. Denn Ghoramara ist von den Folgen des Klimawandels unmittelbar betroffen. Seit den 1980er-Jahren ist sie um die Hälfte geschrumpft.
Wenn der Meeresspiegel weiter steigt, wird es eng für die Bewohner der kleinen Insel Ghoramara vor der indischen Küste im Golf von Bengalen. Schon jetzt werden ihre Felder und Häuser bei Stürmen und heftigem Regen regelmäßig überflutet.
"Das ist doch kein Leben", sagt Reva Sett, die mit Sorge auf das Wasser vor ihrem Haus blickt. Die ist mit ihrer Familie bereits mehrmals umgezogen, jedes Mal weiter weg von der Küste. Dreimal sei ihr Haus schon überflutet worden. Jedes Mal habe die Familie es wieder aufgebaut. "Aber den alten Platz gab es nicht mehr. So sind wir immer weiter ins Landesinnere umgezogen und haben dort gebaut", sagt Reva. "Und jedes Mal, wenn die Küste überflutet wird, wird die Insel kleiner. Wie haben nichts mehr zu essen, weil wir immer weniger Land haben. Viele Leute haben die Insel schon verlassen."

Ein von Überflutungen zerstörtes Haus auf Ghoramara. Inzwischen in den letzten zehn Jahren hat fast die Hälfte der Bevölkerung die Insel verlassen. Bild: REUTERS
Ortsvorsteher fordert Deichbau oder Umsiedlung
Das Leben auf der kleinen Insel südlich der Millionen-Stadt Kalkutta, ist sehr spartanisch und genau genommen ökologisch vorbildlich. Ohne Strom und ohne Autos tragen die Inselbewohner kaum zum CO2-Ausstoß in die Atmosphäre bei - und doch sind sie die Leidtragenden des Klimawandels.
Vor zehn Jahren hätten noch rund 10.000 Menschen auf Ghoramara gelebt, sagt Ortsvorsteher Sanjiv Sagar. Heute seien es noch knapp die Hälfte: "Wir müssen diese 4800 Menschen, die noch hier sind, retten. Wir müssen höhere Deiche bauen oder die Menschen an einen anderen, besseren Ort umsiedeln. Sie brauchen Arbeit, damit sie überleben können."
Auch Wissenschaftler halten eine Umsiedlung der Bewohner von Ghoramara für unausweichlich. Die Regierung tue zu wenig, klagt Suruchi Bhadwal, vom Institut für Energie- und Entwicklungsforschung TERI in Delhi, das sich mit erneuerbaren Energiequellen befasst. "Diese Inseln wird es irgendwann nicht mehr geben. Die sind ja nur knapp eineinhalb Meter hoch. Und für die Menschen, die dort leben, man muss sich schnell etwas überlegen. Man muss sie umsiedeln. Die Regierung muss sich jetzt wirklich damit befassen", fordert Bhadwal.

Die Bewohner Ghoramaras blicken in eine düstere Zukunft. Bild: REUTERS
Millionen Menschen könnten Lebensraum verlieren
Der Golf von Bengalen, mit Küstenabschnitten in Indien, Bangladesch und Myanmar, gehört nach Einschätzung der Vereinten Nationen zu den Regionen, die am stärksten von den Folgen des Klimawandels betroffenen sein werden. Hier könnten Millionen Menschen ihren Lebensraum verlieren, sagt Peteri Taalas, der Generaldirektor der UN-Organisation für Meteorologie.
Er findet den Begriff Erderwärmung etwas irreführend. Denn "die größten Auswirkungen des Klimawandels werden die Veränderungen bei den weltweiten Niederschlägen sein, mit Überflutungen und Dürreperioden. Und das wiederum wird sich auf die Lebensmittelproduktion auswirken". Vor allem für die Küstenregionen mit ihren Millionenstädten stelle der Anstieg des Meeresspiegels eine Gefahr dar. Insbesondere in Indien und China, wo selbst große Städte davon betroffen seien, so Taalas.
Die Einwohner von Ghoramara vor der indischen Küste blicken somit in eine düstere Zukunft. In den vergangenen 20 Jahren verdoppelte sich die Zahl extremer Wetterlagen nahezu. Wenn sich die Teilnehmer der Klimakonferenz nicht auf konkrete und wirkungsvolle Maßnahmen einigen, dürfte dieser Trend nicht mehr umzukehren sein.