Sebastian Kurz wartet auf seine Aussage vor dem Untersuchungsausschuss zur Ibiza-Affäre.

Kurz im Ibiza-U-Ausschuss "Mir platzt gleich der Kragen"

Stand: 24.06.2020 18:31 Uhr

Österreichs Kanzler Kurz hat sich vor dem Ibiza-U-Ausschuss geäußert. Dabei lieferte er sich nicht nur Wortgefechte - sondern gab auch Einblicke in das SMS-Verhalten seines Ex-Vizekanzlers Strache.

Knapp fünf Stunden blieb Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz während seiner Anhörung vor dem Ibiza-Ausschuss bei seinen Kernaussagen: Zu den Hintergründen des Ibiza-Videos könne er nichts Hilfreiches sagen, da er bekanntlich nicht auf Ibiza gewesen sei und auch nicht wisse, wer das Video beauftragt habe.

Die Vorwürfe der Oppositionsparteien, es habe während der früheren Koalitionsregierung zwischen Volkspartei und FPÖ angeblich Postengeschacher gegeben, würden ins Leere gehen, behauptete Kurz. Regierungen jeder Couleur träfen unzählige Personalentscheidungen, das gehöre zum Wesen ihrer Arbeit.

"Lösche SMS regelmäßig"

Entschieden weigerte sich Kurz, der Forderung der Opposition nachzukommen, seine SMS-Kommunikation sowie seinen Kalender aus der Zeit der Regierungskoalition mit dem damaligen FPÖ-Chef Heinz Christian Strache offenzulegen. Alle relevanten Dokumente seien dem Ausschuss zur Verfügung gestellt worden, alles andere sei Privatsache.

"Ich kann deshalb keine SMS vorlegen, weil ich meine SMS regelmäßig lösche. Aber anscheinend machen das andere nicht", sagte der Kanzler nach Ende der teilweise intensiven Befragung durch die Ausschuss-Mitglieder der Oppositionsparteien.

Ringen um Auflärung in der Ibiza-Affäre

In Österreich hat mit dem Untersuchungsausschuss Anfang Juni die politische Aufarbeitung des sogenannten Ibiza-Skandals begonnen. Der Ausschuss geht unter anderem dem Verdacht nach, ob ein Glücksspielkonzern durch die Vergabe eines lukrativen Postens an einen FPÖ-Politiker auf Glücksspiellizenzen hoffen konnte. Auslöser des Skandals war die Veröffentlichung des "Ibiza-Videos" im Jahr 2019 . Darin wirkt der damalige FPÖ-Chef Heinz Christian Strache anfällig für Korruption und scheint einer angeblichen Oligarchen-Nichte Staatsaufträge gegen Parteispenden in Aussicht zu stellen. Die rechtskonservative Koalition zerbrach im Mai 2019, als "Süddeutsche Zeitung" und der "Spiegel", das geheime Treffen enthüllten.

"Hoch dubios"

Mitunter spöttisch gab Kurz Einblicke in das SMS-Verhalten des früheren FPÖ-Chefs und Vizekanzlers Strache. Der habe "gefühlt" mindestens jeden Tag einmal eine SMS geschickt, "manchmal zu Zeiten, an denen ich schon schlief oder noch nicht wach war."

Die Boulevard-Zeitung "Österreich" hatte gestern mehrere SMS-Botschaften veröffentlicht, die Strache und Kurz unmittelbar vor der Veröffentlichung des Ibiza-Videos am 17. Mai 2019 ausgetauscht hatten. "Halb so wild", habe der damalige FPÖ-Chef den Bundeskanzler zu beruhigen versucht.

"Es ist hoch dubios für mich, dass jemand regelmäßig alle seine SMS-Korrespondenzen löscht", sagte Stephanie Krisper, Fraktionschefin der liberalen NEOS, nach der Befragung des Kanzlers.

Waren Gefälligkeiten im Spiel?

Intensiv befragten die Ausschussmitglieder der Opposition den Kanzler nach seiner Rolle bei der Besetzung von Spitzenposten beim Glückspielkonzern Casino Austria, der an einen FPÖ-Bezirksfunktionär vergeben wurde, sowie nach seiner Rolle bei der Ernennung seines engen politischen Vertrauten zum Chef der Staatsholding.

Wenn er denn gar nichts wisse, was habe er eigentlich als Kanzler überhaupt gemacht, wollte ein FPÖ-Ausschussmitglied von Kurz wissen. "Mir platzt jetzt wirklich gleich der Kragen", entfuhr es Kurz. Es sei ja wohl schließlich die FPÖ gewesen, die Aussagen getätigt habe, dass die Koalition geplatzt sei. Er, so der Kanzler, habe sehr viel mitbekommen, er habe nämlich regiert. Kurz dürfte nochmals vor den Ausschuss geladen werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 24. Juni 2020 um 18:36 Uhr in der Sendung "Informationen am Abend".