Migranten in Guatemala.
reportage

Guatemala Verzweifelt im sicheren Drittland

Stand: 08.08.2019 03:52 Uhr

US-Präsident Trump hat Guatemala zum "sicheren Drittland" erklärt. Fliehende Honduraner und Salvadorianer, die eigentlich in die USA wollen, müssen nun in Guatemala bleiben, obwohl die Lage dort nicht anders ist.

Kevin dreht eine Runde auf der zentralen Plaza in Tecún Umán, eine kleine guatemaltekische Stadt unmittelbar an der Grenze zu Mexiko. Er hat seine Heimat El Salvador verlassen. Er fühlte sich dort nicht mehr sicher. Von den Maras, den gewalttätigen Banden in seinem Land, wurde er mehrfach bedroht.

Es fehlte nicht viel, dann hätten sie mich umgebracht. Gott hat sich erbarmt, deswegen kann ich das jetzt erzählen. Drei so Typen haben mich festgehalten und mir die Pistole an den Kopf gesetzt. Ich war auf dem Feld, um zu arbeiten, aber sie haben dort schon auf mich gewartet. Danach bin ich nicht mehr zur Arbeit gegangen.

Seit einer Woche sitzt der 25-Jährige mit seinem Freund Milton in Guatemala fest. Ihr Ziel liegt in rund 2000 Kilometern Entfernung - sie wollen nach Texas, in die USA. Dafür müssen sie durch Mexiko, eigentlich nur einen Steinwurf entfernt - ist der mexikanische Bundesstaat Chiapas.

Mexikanische Nationalgarde patrouilliert Grenze

Die beiden Salvadorianer sehen, wie Flöße aus Autoreifen und Holzlatten den Grenzfluss Suchiate in nur wenigen Minuten queren. Vor ein paar Monaten hätten sie für die Überfahrt etwa 10 guatemaltekische Quetzal bezahlt und wären einfach auf der mexikanischen Seite an Land gegangen. Das geht längst nicht mehr, meint Milton.

Wir dachten, es wäre einfacher. Überall Sicherheitskräfte, viel zu viele. Es ist wirklich schwierig. Wir müssen jetzt nach einer anderen Lösung suchen. Da kommt man doch nicht mehr rüber.

Am anderen Ufer stehen alle zwanzig Meter schwer bewaffnete Sicherheitskräfte der mexikanischen Nationalgarde in grünen Kampfuniformen, fangen jeden ab, der keine gültigen Papiere hat.

Eine Mauer aus Menschen

Mexiko hat für die USA eine Mauer aus Menschen gebaut. Rund 6500 Militärs sichern seit Anfang Juni die mexikanische Südgrenze, sagt Mario Morales. Seit 23 Jahren arbeitet er in der Herberge der Scalabrini Missionare in Tecún Umán, berät die Migranten.

Viele fliehen vor der Armut. Sie haben keine Arbeit, oder sie suchen nach ihren verschwundenen Familienangehörigen, sie fliehen vor der Kriminalität, der Gewalt, viele werden bedroht. Die Länder in der Region sind nicht sicher. Die Menschen sind auf der Suche nach einem sicheren Ort.

Sie kommen aus El Salvador, Honduras, immer häufiger auch aus Nicaragua. Menschen, die vor der Diktatur flüchten, erklärt Morales.

Wut auf den Präsidenten

Die Tatsache, dass der scheidende Präsident Jimmy Morales ein Migrationsabkommen auf Druck der USA unterschrieben hat, dass das Land de facto zu einem sicheren Drittland erklärt, macht ihn wütend. Die neue Regelung besagt, dass Migranten, die eigentlich in die USA wollen, nun in Guatemala bleiben, dort Asyl beantragen müssen, obwohl die Lage dort nicht anders ist.

Ich befinde mich jetzt hier an der Grenze, aber Gewalt gibt es im ganzen Land - auf unterschiedlichen Ebenen. Die Unterernährung ist ein großes Problem. Es gibt keine Arbeit. Auch Guatemala ist kein sicheres Land.

Aus Guatemala selbst flüchteten die Menschen.

Auch wenn wir von der Regierung darüber informiert wurden, wie das ganze theoretisch ablaufen soll, wissen wir nicht, wie wir dem neuen Andrang gerecht werden sollen. In diesem Jahr haben wir schon 9644 Menschen versorgt, und das Jahr ist noch nicht zu Ende. Die Anzahl wird sich noch verdoppeln. Und wir haben eigentlich nur Platz für 80 Menschen.

Gravierender Anstieg von Deportationen

In Tecún Umán ist die Herberge die einzige Unterkunft für Migranten, hier können sie maximal drei bis fünf Tage bleiben. Essen, sich ausruhen, überlegen, wie es weitergehen soll. Es wird immer schwieriger für sie. Laut der Regierung in Guatemala hat Mexiko allein im ersten halben Jahr mit 90,245 Deportationen fast so viele Zentralamerikaner abgeschoben wie allein im ganzen Jahr 2018.

Auch wenn die Abschiebungen zugenommen hätten, die Migranten würden sich nicht abhalten lassen, es immer wieder versuchen, andere gefährlichere Routen wählen, oder sie lieferten sich Schleppern aus, erklärt Mario Morales.

Kevin und Milton halten an ihrem Plan fest, obwohl sie nach dem neuen Migrationsabkommen eigentlich in Guatemala Asyl beantragen müssten - das weiß Milton. Er zuckt mit den Schultern.

Auch wenn Trump das so sagt, wir werden sehen, was das Schicksal für uns bereithält. Wenn wir alles geben, vielleicht werden wir es in die USA schaffen. Wir müssen dafür kämpfen, das ist unsere Zukunft, da können wir arbeiten.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 08. August 2019 um 05:25 Uhr.