Innenminister diskutieren über Aufnahme Dürfen Guantánamo-Häftlinge nach Europa?

Stand: 26.02.2009 11:26 Uhr

Die EU-Innenminister sind zu Beratungen über eine Aufnahme von Guantánamo-Häftlingen zusammengekommen. Zunächst sollen mögliche Sicherheitsauflagen für die Insassen des US-Gefangenenlagers in Europa geprüft werden. Der tschechische Innenminister und EU-Ratsvorsitzende Langer betonte jedoch, dass kein Land zu einer Aufnahme von Ex-Häftlingen gedrängt werden dürfe.

Von Michael Becker, MDR-Hörfunkstudio Brüssel

Bereits vor zwei Tagen hatten mehrere Menschenrechtsorganisa- tionen in Brüssel die internationale Presse zusammen getrommelt: Die EU habe eine moralische Verpflichtung, bei der Schließung von Guantánamo zu helfen, mahnten sie. Konkret geht es um 60 Männer, die in Guantánamo einsitzen - sie alle wollen nach Europa.

Die Rückkehr in Heimatländer ist oft nicht möglich

"Die europäischen Regierungen können helfen, diesen Männern eine Zuflucht zu geben", sagte Robert Brody von Human Rights Watch. Die Männer wollten nicht in die USA, könnten aber auch nicht in ihre Heimatländer zurückkehren, erzählten die Vertreter der Menschenrechtsorganisationen.

In ihren Heimatländern drohe ihnen erneut Haft und möglicherweise auch Folter. Einige Guantánamo-Insassen seien schon vor Jahren von der Bush-Regierung frei gegeben worden - sie würden aber lieber im Lager bleiben, als in ihr Heimatland zurück geschickt zu werden. Die Menschenrechtsorganisationen sind überzeugt davon, dass keine Gefahr von ihnen ausgeht.

Wie groß ist das Restrisiko?

"Diese Männer sind hunderte Male befragt worden. Dass die USA bereit sind, sie raus in die Welt zu schicken, das sagt doch einiges aus", meint Zachary Katznelson von der Organisation Retrieve. Allerdings sind nicht alle überzeugt davon, dass Ex-Guantánamo-Häftlinge immer harmlos sind - selbst wenn die Amerikaner ihnen nichts nachweisen konnten.

"Viele von denen, die entlassen worden aus Guantánamo, sind in die terroristische Szene zurück gekehrt", sagt der CDU-Europaabgeordnete Hartmut Nassauer. Man könne es deshalb nicht verantworten, die deutsche Bevölkerung diesem Risiko auszusetzen.

Steinmeier stieß Debatte an

Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier hatte den Amerikanern angeboten, bei der Schließung von Guantánamo zu helfen und die Debatte damit angestoßen. Bei Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble war er anfangs auf heftigen Widerstand gestoßen - genau so wie bei vielen Innenministern der Bundesländer.

Mittlerweile ist Schäuble bereit, in Ausnahmefällen darüber nachzudenken: "Wenn es jemand gibt, wo man konkret sagen kann, der kann aus Gründen, die man nachvollziehen kann, nicht in Amerika bleiben, dann wird man darüber nachdenken können", meinte Schäuble zuletzt.

Noch keine Anfrage aus der USA

Im übrigen weist Schäuble durchaus zu Recht darauf hin, dass die Amerikaner noch überhaupt nicht darum gebeten haben, dass die Europäer Häftlinge aufnehmen sollen. Allerdings haben einige in der EU bereits konkrete Angebote gemacht: Portugal und Litauen sind bereit, Guantánamo-Insassen aufzunehmen.

Das Ziel ist aber in jedem Fall ein gemeinsamer europäischen Nenner. Schließlich gibt es in der EU so gut wie keine Grenzkontrollen mehr. Die Debatte steht noch ganz am Anfang - dürfte aber schnell an Fahrt gewinnen - spätestens dann, wenn die Amerikaner konkret um Hilfe bitten.