Großbritanniens Premier Boris Johnson mit windzerzaustem Haar am Vortag des Brexit.

Großbritannien Johnson plant neues Einwanderungsrecht

Stand: 19.02.2020 10:14 Uhr

Die britische Regierung will weniger billige Arbeitskräfte aus dem Ausland holen und dafür Hochqualifizierten die Einwanderung erleichtern. Arbeitgeber befürchten einen Personalmangel im Gesundheits- und Sozialbereich.

Großbritanniens konservative Regierung will nach dem Brexit die Einwanderung von Geringqualifizierten massiv einschränken und dafür gezielt Fachkräfte anlocken. Geplant sei ein Punktesystem, das Fähigkeiten, Qualifikationen, Gehälter und Berufe potenzieller Migranten prüfe, kündigte Innenministerin Priti Patel an. Die Vorschläge sollen im Laufe des Tages vorgestellt werden.

Es wären die größten Änderungen im britischen Einwanderungsrecht seit Jahrzehnten. Die sogenannte Nettozuwanderung soll sich damit von den derzeit mehr als 200.000 Menschen pro Jahr verringern. Die Regierung von Premierminister Boris Johnson ist aber von Plänen konservativer Vorgängerregierungen abgerückt, die Nettozuwanderung auf unter 100.000 Menschen pro Jahr senken zu wollen.

"Wir beenden die Freizügigkeit, holen uns die Kontrolle über unsere Grenzen zurück und kümmern uns um die Prioritäten der Menschen", teilte Patel mit. Sie sprach von einem "historischen Moment".

Die britische Innenministerin Priti Patel

Die britische Innenministerin Priti Patel kündigte ein Punktesystem für potenzielle Einwanderer an. Das solle Menschen "mit den richtigen Fähigkeiten, die unser Land und unsere Wirtschaft unterstützen können" die Einwanderung ermöglichen.

Neue Regeln sollen ab 2021 gelten

Für eine Chance auf eine Beschäftigung in Großbritannien sollen Interessierte ab 2021 ein Jobangebot mit einem Jahresgehalt von mindestens 25.600 Pfund (rund 30.100 Euro) vorweisen müssen. Die Schwelle läge damit niedriger als das Salär von 30.000 Pfund, das bisher für Migranten aus Nicht-EU-Ländern festgesetzt wurde. Potenziellen Einwanderern soll die Tür aber auch offenstehen, wenn sie andere Fähigkeiten haben.

Qualifizierte Migranten müssen zudem aktuell einen Universitätsabschluss haben, künftig soll aber auch das Pendant zu den britischen "A-Levels" reichen, die mit dem deutschen Abitur vergleichbar sind.

Auslöser für die geplanten Neuerungen ist der Ausstieg Großbritanniens aus der Europäischen Union im Januar. Während der Übergangszeit bis 31. Dezember ändert sich nichts an der Personenfreizügigkeit, die EU-Bürgern einen ungehinderten Aufenthalt und eine Beschäftigung in Großbritannien erlaubt. Die mehr als drei Millionen EU-Bürger, die bereits dort leben, sollen bleiben können. Ab dem 1. Januar 2021 sollen dann aber sowohl für neue Migranten aus der EU und jene aus Drittstaaten neue Regeln gelten.

Vor allem Landwirtschaft, Gesundheit und Gastronomie betroffen

Johnsons Regierung erklärte, das neue System werde "das Vereinigte Königreich für die Klügsten und Besten aus der ganzen Welt öffnen" und zugleich "die Abhängigkeit von billigen, geringqualifizierten" Arbeitskräften beenden. Hunderttausende EU-Bürger arbeiten derzeit in den Sektoren Landwirtschaft, Gesundheit und Gastronomie in Großbritannien und werden relativ niedrig vergütet.

Arbeitgeber aus diesen Bereichen warnten vor Personalmangel, sollte es zu schärferen Einwanderungsregeln kommen. Der britische Verband der Hauspflegedienste UKHCA bezeichnete die Vorschläge der Regierung als unverantwortlich. "Die Zuführung von angehenden Pflegekräften über ein neues Einwanderungssystem zu beschneiden, wird dazu führen, dass mehr Menschen unnötigerweise in Krankenhäusern warten müssen oder keine Pflege bekommen."

Die Regierung zeigte sich dennoch entschlossen. Der Fokus der Wirtschaft müsse sich ändern. Statt einer Abhängigkeit von billigen Arbeitskräften aus Europa müsse man sich in Zukunft auf Investitionen in Technologie und automatisierte Abläufe konzentrieren. "Arbeitgeber werden sich anpassen müssen", hieß es in einem Entwurf. Die neuen Pläne müssen noch vom Parlament gebilligt werden. Dies gilt als ziemlich sicher, da die Konservativen eine komfortable Mehrheit im Unterhaus haben.

Andre Seifert, ARD London, 19.02.2020 17:38 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 19. Februar 2020 um 10:00 Uhr.