Glosse zum EU-Gipfel Eigene Meinung unerwünscht

Stand: 19.11.2009 09:06 Uhr

Wer ist geeignet, die beiden Spitzenposten in der Europäischen Union zu übernehmen? Diese Aufgaben erfordern ein ganz besonderes Profil. Bestimmte Personen sind von vorneherein ausgeschlossen. Eine eigene Meinung würde auf jeden Fall schaden.

Eine Glosse von Katrin Brand, WDR-Hörfunkstudio Brüssel

Wir, die Europäische Union, sind ein erfolgreiches Bündnis von inzwischen 27 Staaten mit 500 Millionen Einwohnern und Verwaltungssitz in Brüssel. Wir sprechen vermutlich 23 Sprachen. Unser Haushalt ist, naja, solide geführt. Es gilt der Grundsatz: Deutschland zahlt und die Briten bekommen einen Rabatt. Dieses attraktive Bündnis hat zwei Spitzenjobs zu vergeben.

Erstens: Als Präsident oder Präsidentin leiten Sie den Europäischen Rat, aber bitte nicht zu sehr, damit die Staats- und Regierungschefs aller Mitgliedsländer sich in ausreichendem Maße selbst darstellen können. Sie sind Mitglied einer christdemokratischen Partei und verfügen über Regierungserfahrung. Sie haben sich aber noch nie mit einem anderen Regierungschef angelegt - schon gar nicht mit dem französischen. Sie heißen also nicht Jean-Claude Juncker. Sie stammen aus einem kleinen EU-Staat, nicht aber aus Portugal, daher kommt schon unser Kommissionspräsident. Sie heißen auf gar keinen Fall Tony Blair, weil der uns in den Irak-Krieg gezogen hat und nicht mal mit Euros zahlt.

Der Posten des EU-Außenministers

Zweitens: Als hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik/Vizepräsident der Kommission sind Sie der Außenminister, der aber nicht so heißen darf. Oder Sie sind die Außenministerin, die auch nicht so heißen darf. Ihre wichtigste Aufgabe ist es, den nationalen Außenministern nicht die Show zu stehlen - schon gar nicht den Briten. Sie stammen aus einem kleinen, mittleren oder großen EU-Staat, sind Mitglied einer Sozialdemokratischen Partei und haben Erfahrung als Minister. Sie heißen nicht Frank-Walter Steinmeier. Dann wären Sie zwar der beste Mann für diesen Job, aber Frau Merkel will Sie nicht. Sie sind, bitteschön, auch kein italienischer Ex-Kommunist, weil unsere osteuropäischen Mitglieder immer noch dieses Russland-Trauma mit sich herumschleppen.

Meinungsäußerung nicht erwünscht

Für beide Bewerber gilt: Eine Mehrheit der EU-Regierungen hat nichts gegen Sie, denn Sie verfügen über keine eigene Meinung und äußern diese auch nicht. Sie werden auf der Straße nicht erkannt. Die Nennung Ihres Namens wird weltweit mit einem ratlosen "Wer bitte?" kommentiert. Zudem sprechen Sie eine Art Englisch, das von allen - außer den Engländern - verstanden wird.

Für beide Posten ist es nicht ausreichend, neun Monate lang die Regierung Belgiens geführt zu haben. Keine Chance haben zudem Bewerber aus Ländern, die schon mal den Vertrag von Lissabon abgelehnt haben (außer Frankreich).

Wenn sich diese herausfordernden Tätigkeiten mit Ihren weiteren beruflichen Zielen decken, senden Sie ihre möglichst schwammige Bewerbung (ohne Foto bitte, damit Sie nicht erkannt werden) an die EU oder eine Zeitung oder Rundfunkanstalt ihrer Wahl. Sollten Sie Tony Blair oder Frank-Walter Steinmeier heißen, vergessen Sie es.