Konsequenzen aus EU-Bericht über Georgien-Krieg Sollte Saakaschwili vor Gericht gestellt werden?

Stand: 30.09.2009 13:59 Uhr

Nach der Veröffentlichung des EU-Berichtes zum Georgien-Krieg beginnt eine Debatte, welche Konsequenzen gezogen werden sollen. Georgiens Präsident Saakaschwili müsse vor Gericht gestellt werden, heißt es unter anderem. Laut dem Bericht vertießen Georgien und Russland gegen Völkerrecht.

Von Silvia Stöber, tagesschau.de

Die Aussage des Untersuchungsberichtes ist deutlich: Nach einer Reihe von Provokationen startete die georgische Regierung mit einem Angriff auf die südossetische Hauptstadt Zchinwali in der Nacht auf den 8. August 2008 den Fünftagekrieg. Stundenlang wurden nicht nur Militäreinrichtungen, sondern auch Wohnhäuser beschossen. Die von der georgischen Regierung als Rechtfertigung präsentierten Argumente hielten der Überprüfung der Expertenkommission nicht stand. Ihrer Einschätzung nach verstieß Georgien damit gegen humanitäres Völkerrecht - aber nicht allein, auch Russland hielt sich in mehreren Punkten nicht daran. Das betrifft die überzogene militärische Operation der russischen Armee in Georgien, aber auch die massenhafte Vergabe von russischen Pässen an die Bevölkerung der abtrünnigen Regionen Südossetien und Abchasien.

Georgiens Präsident Saakaschwili bei einer Militärübung am 30. Juli 2009

Georgiens Präsident Saakaschwili bei einer Militärübung am 30. Juli 2009

Saakaschwili zur Verantwortung ziehen ...

Die Frage ist nun, welche politischen und juristischen Konsequenzen aus diesen Erkenntnissen gezogen werden sollen. Der Experte Oliver Wolleh von der Berghof-Stiftung für Konfliktforschung forderte bei einer Veranstaltung der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik, Georgiens Präsidenten Michail Saakaschwili müsse vor Gericht gestellt werden. Der Präsident habe schließlich auf die - nach georgischer Sichtweise - eigene Bevölkerung in Südossetien beschießen lassen. Nun sei die georgische Justiz am Zuge.

Wolleh nannte auch die Möglichkeit, Klage gegen Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag einzureichen. Denn Georgien habe das Statut von Rom, die Grundlage für den Gerichtshof, unterzeichnet, anders als Russland. Aber auch die Regierungen in der EU könnten nach Meinung von Wolleh Mittel nutzen - die Bewegungsfreiheit Saakaschwilis im Schengen-Raum einschränken und ihn zur Unperson erklären.

... und auch die russische Regierung?

Diese Vorschläge stoßen bei anderen Experten jedoch auf Bedenken. Uwe Halbach von der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin sagte, wenn man Georgien zur Verantwortung ziehen wolle, müsse man dies mit Russland ebenfalls tun. Doch werde dies in der Europäischen Union nicht durchzusetzen sein.

Auch der Koordinator der Bundesregierung für die deutsch-amerikanische Zusammenarbeit, Karsten Voigt, der dem Beirat der Untersuchungsmission angehörte, äußerte sich verhalten zu diesen Forderungen. Man müsse bedenken, über welche Hebel die EU verfüge. Auch sei die rechtliche Aufarbeitung nur ein Aspekt der Konfliktbereinigung. Es gehe immer noch darum, den Konflikt Georgiens mit den abtrünnigen Regionen zu beenden. Dabei müssten die beteiligten Seiten zu einem grundsätzlichen Sinneswandel bewegt werden, denn es gebe dort eher eine Kultur der Gewalt als des Multilateralismus.

Signalisierten die USA Unterstützung?

Doch nicht nur die Konfliktparteien Georgien und Russland geraten in den Fokus. Man müsse auch nach der Rolle der USA in diesem Konflikt fragen, fordert Wolfgang Richter, Oberst der Bundeswehr und bis April Militärbeobachter der OSZE in Georgien.

Es sei unwahrscheinlich, dass Saakaschwili gehandelt habe, ohne auf Rückendeckung aus dem Westen zu setzen. Richter geht davon aus, dass der georgische Präsident entsprechende Signale aus den USA erhalten hat, wobei nicht mit einer Stimme gesprochen worden sei.

Neben Politikerin und Diplomaten der Regierung von Präsident George W. Bush sei auch eine hohe Anzahl anderer Personen vor Ort gewesen. Dazu zählten nicht nur, wie bereits bekannt, Berater des US-Verteidigungsministeriums, sondern auch eine US-Firma namens Cubic / Kubic mit ehemaligen Militärs.

US-Ausbilder trainierten mit Georgiern Häuserkampf

Bedenklich sei zudem, dass 130 US-Militärausbilder noch zwei Tage vor der Eskalation in Südossetien die vierte Brigade der georgischen Armee im Häuserkampf trainiert habe. Diese Ausbildung sei für den Einsatz im Irak, wie vorgegeben worden sei, 2008 nicht mehr notwendig gewesen. Richter sprach die Hoffnung aus, dass der demokratisch dominierte US-Kongress dem nachgehen werde.

Richter bestätigte, dass die europäischen Regierungen im August nicht mit einem Kriegsausbruch in Südossetien gerechnet haben, nachdem eine Eskalation in der anderen abtrünnigen Region Abchasien im Frühsommer abgewendet werden konnte. Dabei habe sich die Lage in Südossetien bereits am 6. und 7. Juli bedenklich zugespitzt. Richter ist sich sicher, dass die Georgier zu diesem Zeitpunkt nur deshalb nicht losschlugen, weil die OSZE die Lage vor Ort inspizierte.

Er gestand aber auch ein, dass die OSZE hinsichtlich der Rüstungskontrolle nicht hart genug reagiert habe: Es seien keine Konsequenzen gezogen worden, nachdem man bei einer Inspektion herausgefunden habe, dass militärisches Gerät aufmunitioniert war und in Bereitschaft gehalten wurde. Zudem seien die georgischen Militäreinheiten nach dem Rückzug von der abchasischen Grenze nicht in ihre Kasernen zurückgekehrt, sondern an die südossetische Grenze verlegt worden.