Reaktionen zum Friedensnobelpreis Eine Ehrung für 500 Millionen Bürger

Stand: 12.10.2012 22:58 Uhr

Die Vergabe des Friedensnobelpreises an die EU ist überwiegend begrüßt worden. Kanzlerin Merkel nannte die Entscheidung wunderbar. Die USA und Israel lobten Europas Errungenschaften nach zwei Weltkriegen. Es gibt aber auch Kritiker im Osten wie im Norden. Und einige wussten schon vorab Bescheid.

Der Präsident der EU-Kommission, Jose Manuel Barroso, hat die Entscheidung über die Vergabe des Friedensnobelpreises an die Europäische Union als große Ehre bezeichnet. Sie gelte "der ganzen EU, allen 500 Millionen Bürgern", schrieb er im Kurznachrichtendienst Twitter. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy erklärte, der Preis sei "die größtmögliche Anerkennung für die tiefen politischen Motive hinter der Union". Die EU sei eine "einzigartige Anstrengung von immer mehr europäischen Ländern zur Überwindung von Krieg und Teilung".

"Tief bewegt" äußerte sich der Vorsitzende des Europäischen Parlaments Martin. "Das kann als Inspiration dienen", twitterte der SPD-Politiker: "Die EU ist ein einzigartiges Projekt, das Krieg durch Frieden, Hass durch Solidarität ersetzte."

Merkel sieht Ansporn und Verpflichtung auch für sich persönlich

Weltweit wurde die Entscheidung überwiegend mit großer Freude aufgenommen. Bundeskanzlerin Angela Merkel sprach von einer "wunderbaren Entscheidung". Diese sei "Ansporn und Verpflichtung zugleich - auch für mich ganz persönlich". Merkel betonte, sie habe immer wieder darauf hingewiesen, dass der Euro mehr sei als eine Währung.

Bundesaußenminister Guido Westerwelle begrüßte bei einem Besuch in China die "großartige Entscheidung, die mich stolz und glücklich macht". Die europäische Integration sei das erfolgreichste Friedensprojekt der Geschichte.

"Eine Inspiration für die ganze Nationenfamilie"

Die USA haben nach der Vergabe die "außergewöhnlichen Errungenschaften" beim Frieden und der europäischen Einheit nach dem Zweiten Weltkrieg gewürdigt. "Wenn man das betrachtet, was in  Europa in den vergangenen 60 Jahren oder so seit dem Ende des Zweiten Weltkrieges passiert ist, ist das eine bemerkenswerte Leistung", sagte der Sprecher des Weißen Hauses, Jay Carney.

Auch Israel gratulierte der Europäischen Union zur Zuerkennung des diesjährigen Friedensnobelpreises. "Der beispielhafte Erfolg der EU bei der Schaffung von Frieden nach zwei Weltkriegen ist eine Inspiration für die ganze Nationenfamilie", schrieb Außenamtssprecher Jigal Palmor. UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sagte, die Auszeichnung für die EU sei eine "reichlich verdiente Anerkennung".

Vaclav Klaus dachte an "Scherz"

Die Entscheidung für die oft als Bürokratiemonster gescholtene EU stieß aber auch auf Kritik. Der tschechische Präsident und EU-Skeptiker Vaclav Klaus tat die Vergabe in einer ersten Reaktion als "Scherz" ab. Polens Ex-Präsident, der Friedensnobelpreisträger von 1983, Lech Waless erklärte: "Ich bin überrascht und enttäuscht zugleich. Gewiss, die Europäische Union versucht, Europa und die Welt auf friedliche Weise zu ändern - aber sie macht es für Geld." Der Menschenrechtsbeauftragter der russischen Regierung, Michail Fedotow, meinte: "Wenn das ein Beitrag zur Verteidigung der Menschenrechte sein soll - dann hätte den Preis eher der Europäische Menschenrechtsgerichtshof verdient."

Der britische Premierminister David Cameron ignorierte demonstrativ die Vergabe des Friedensnobelpreises an die EU. Nach mehrfachen Bitten um eine Stellungnahme sagte ein Sprecher lediglich: "Wir beabsichtigen nicht, dazu etwas herauszugeben." Stunden nach der Bekanntgabe gab das Außenministerium eine Erklärung ab und lobte - in zwei Sätzen - die "historische Rolle" der Europäischen Union bei der Förderung von Frieden und Aussöhnung.

Wieso wusste der Sender NRK gestern schon Bescheid?

In Norwegen selbst stellten EU-skeptische Politiker die Jury infrage. Audun Lysbakken, Chef der normalerweise in der Jury vertretenen EU-kritischen Linkssozialisten, fragte in der "Aftenposten": "Hat Jagland im Komitee geputscht, während unsere Vertreterin krank war?" Die Linkssozialistin in der Jury war wegen längerer Krankheit durch den nicht zur Partei gehörenden Bischof Gunnar Stalsett ersetzt worden; das Komitee ist nach einem Parteienproporz zusammengesetzt, der auch zwei EU-kritische Parteien berücksichtigt.

Offen bleibt derweil, warum der TV- und Rundfunksender NRK den Preisträger eine Stunde vorab verkünden konnte - das ist höchst ungewöhnlich. Spekulationen machten die Runde, dass möglicherweise Gegner der Entscheidung mit Insiderwissen dem Komiteechef den "Spaß verderben wollten". Bereits am Vorabend hatten sich Gerüchte verbreitet, dass der Nobelpreis diesmal an die EU gehen könnte.