Friedensnobelpreis für die EU "Ein Raum, in dem wir uns nicht bedroht fühlen"

Stand: 12.10.2012 13:20 Uhr

Es begann mit sechs Staaten, die sich nach dem Zweiten Weltkrieg in der Montanunion zusammenfanden: Die Gründungsväter hatten aber nicht nur die wirtschaftliche Integration im Sinn. Ihnen ging es vor allem um dauerhaften Frieden, was heute in Zeiten der Schuldenkrise oft vergessen wird.

Von Andreas Reuter, HR-Hörfunkstudio Brüssel

Die EU, das ist doch nur ein großer gemeinsamer Markt, ein Vehikel für Sparprogramme und neoliberale Wirtschaftsreformen, lautet der Vorwurf. Dabei gerät leicht in Vergessenheit: Schon am Anfang, als sich die ersten Länder zur Montanunion zusammenfanden, hatten die Gründerväter schon Höheres im Sinn als nur Geschäfte mit Kohle und Stahl.

Andreas Reuter, A. Reuter, HR Brüssel, 12.10.2012 11:51 Uhr

Der damalige Bundeskanzler Konrad Adenauer drückte es so aus: "Vorbereitungen zu einem Kriege machen sich immer zuerst fühlbar auf dem Gebiete der Stahlproduktion und dazu ist die Kohle nötig. Wenn es uns gelingt, eine Organisation zu schaffen, die den Franzosen gestattet, alles das zu sehen, was in Deutschland vor sich geht und umgekehrt, dann ist diese gegenseitige Kontrolle, das beste Mittel um eine Politik zu betreiben, die sich auf Vertrauen gründet."

"Eines der beeindruckendsten Friedenswerke"

Die Erbfeinde Deutschland und Frankreich wurden schnell zur deutsch-französischen Achse, zum Motor, der die europäische Einigung voran brachte. Und heute sagt Adenauers Nachfolgerin Angela Merkel: "Die EU ist eines der beeindruckendsten Friedenswerke auf dem Planeten Erde. Mit der europäischen Einigung ist den Völkern Europas ein großes Glück gelungen. Es gibt keinen besseren Platz, das ist meine Überzeugung, für unser Leben in Europa als unser gemeinsames europäisches Haus."

Deutschland nur noch von Freunden und EU-Partnern umgeben; 27 Länder, die lange vom eisernen Vorhang getrennt und bis auf die Zähne gegeneinander hochgerüstet waren, jetzt gemeinsam in einer Europäischen Union, über 60 Jahre Frieden auf dem Kontinent - ganz wie die Kanzlerin gerät da auch der Grüne Daniel Cohn-Bendit ins Schwärmen: "Wir haben einen Raum, wo wir uns alle zu Hause und nicht bedroht fühlen. Und das ist das, was ich liebe." Der Begriff Bedrohung aus dem innereuropäischen Raum sei verschwunden. "Das nennt man die Friedensdividende der Europäischen Union. Das ist ja wahr, das ist ja Realität."

Versagt in Jugoslawien

Allerdings: Den blutigen Krieg in Jugoslawien verhinderte auch die EU nicht. Aber Slowenien ist schon Mitglied in der EU, Kroatien wird als nächstes folgen, die anderen Länder aus dem früheren Jugoslawien klopfen an die Tür. Die Erweiterung der EU als Fortsetzung des Friedensprojektes.

Serge Brammertz jedenfalls ist überzeugt, dass allein die Aussicht auf einen EU-Beitritt zur Stabilisierung der Region beigetragen hat. Zum Beispiel, indem fast alle wichtigen mutmaßlichen Täter inzwischen an das Jugoslawien-Tribunal in Den Haag ausgeliefert wurden, wo Serge Brammertz der Chef-Ankläger ist.

Ein Nobelpreis für die EU, das ist natürlich Balsam für die Union, die noch immer mitten in der Euro-Krise steckt. Scheitert der Euro, dann scheitert Europa, sagt die Bundeskanzlerin. Es lohnt sich also, den Euro zu schützen, sagt auch der Luxemburger Jean-Claude Juncker, denn: "Der Euro ist Friedenspolitik mit anderen Mitteln."

Dieses Thema im Programm: Dieser Beitrag lief am 12. Oktober 2012 um 12:18 Uhr im Nordwestradio