Demonstrantinnen beim Weltfrauentag.

Geschlechterungleichheit Weltweite Demonstrationen zum Frauentag

Stand: 09.03.2023 08:02 Uhr

Anlässlich des internationalen Frauentages sind Millionen Menschen weltweit auf die Straße gegangen - für gleiche Löhne, sexuelle Selbstbestimmung und gegen die Unterdrückung von Frauen. In Istanbul ging die Polizei gegen Demonstrantinnen vor.

Zum Internationalen Frauentag haben auf der ganzen Welt Menschen für Gleichberechtigung demonstriert. Bei Protestaktionen, Konferenzen und Kunstveranstaltungen prangerten die Demonstrierenden rund um den Globus die andauernden Ungleichheit, Unterdrückung und systematische Ausgrenzung von Frauen an.

Neben Alltagsdiskriminierungen wie ungleicher Bezahlung oder Benachteiligungen auf dem Arbeitsmarkt kämpfen Frauen weltweit jeden Tag gegen sexuelle und häusliche Gewalt.

Beklagenswerte Lage in Afghanistan

Im Rahmen des Internationalen Frauentages richtete sich der Blick der Weltgemeinschaft besonders nach Afghanistan. Seit der Machtübernahme durch die Taliban 2021 werden Frauen und Mädchen dort durch immer schärfere Vorschriften praktisch aus der Öffentlichkeit verbannt.

Weltweit prangerten Organisationen und auch die Kirche die schwierige Lage an. In der afghanischen Hauptstadt Kabul versammelten sich unter Lebensgefahr rund 20 Frauen. Bei Protesten in Deutschland forderten Afghaninnen von der Bundesregierung mehr Unterstützung.

Die Vereinten Nationen betonten anlässlich des Frauentages, dass 20 Jahre Fortschritt für die Rechte von Frauen und Mädchen seit der Übernahme durch die Taliban zunichte gemacht worden seien. Die "schmerzhafte Aufhebung" von Frauenrechten sowie Restriktionen gegen sie müssten beendet werden.

Polizei behindert Proteste in der Türkei

Trotz eines massiven Polizeiaufgebots versammelten sich im türkischen Istanbul Tausende Demonstrantinnen im Rahmen des Weltfrauentages. "Wir schweigen nicht, wir fürchten uns nicht, wir gehorchen nicht", skandierten die Frauen in der Istanbuler Innenstadt. Auch regierungskritische Slogans waren zu hören. Demonstrantinnen forderten den Rücktritt von Präsident Recep Tayyip Erdogan.

Proteste in der Innenstadt waren zuvor verboten und nur abgelegene Orte als Versammlungsort ausgewiesen worden. Die Polizei sperrte schon am Nachmittag die Straßen rund um den zentralen Taksim-Platz ab und versuchte Frauen daran zu hindern, sich zu versammeln. Später setzten Bereitschaftspolizisten Pfefferspray gegen Demonstrantinnen ein. Auch in anderen türkischen Städten wie der Hauptstadt Ankara und der Küstenstadt Izmir gab es Proteste.

"Wir werden nicht mehr schweigend dasitzen"

In Pakistan mussten Frauen in mehreren Städten gerichtlich erkämpfen, am Frauentag auf die Straße gehen zu dürfen. Im vergangen Jahr hatten einige konservative Gruppen gedroht, solche Protestmärsche mit Gewalt zu verhindern. In Lahore versammelten sich trotz eines Verbots rund 2000 Pakistanerinnen. "Wir werden nicht mehr schweigend dasitzen", sagte die Lehrerin Rabail Achtar. "Das ist unser Tag, das ist unsere Stunde."

In der philippinischen Hauptstadt Manila forderten Hunderte Aktivistinnen höhere Löhne und ordentliche Arbeitsverträge. "Wir sehen eine beispiellose Zunahme von Arbeiterinnen in informellen Arbeitsverhältnissen ohne jeden Schutz", sagte die Aktivistin Joms Salvador.

Auf einer kleinen Kundgebung in Japan forderten Frauen erneut, dass verheiratete Paare verschiedene Nachnamen haben dürfen. Es gilt immer noch das Gesetz von 1898 nach dem ein Ehepaar entweder den Nachnamen des Mannes oder der Frau annehmen muss.

Demonstrantinnen beim Weltfrauentag.

Frauen halten Plakate während einer Kundgebung zum Internationalen Frauentag in Brüssel.

Noch keine Gleichheit in Europa

In Spanien fanden am Abend Großkundgebungen statt, zu denen in Madrid, Barcelona und anderen Städten eine Million Menschen erwartet wurden. Seit Jahren gibt es in Spanien zum Weltfrauentag mit die größten Demonstrationen weltweit. Differenzen gab es dieses Jahr zwischen der linksgerichteten Regierung und Feministinnen über diverse Gesetzesvorhaben, insbesondere zu einem gerade in Kraft getretenen Transgender-Gesetz, das jedem über 16 Jahre gestattet, sein Geschlecht auf amtlichen Dokumenten ohne ärztliche Zertifizierung zu ändern.

In Paris und anderen französischen Städten marschierten zehntausende Demonstrierende und forderten "Gleiche Bezahlung, jetzt". Auch die ohnehin umstrittene Rentenreform von Präsident Emmanuel Macron wurde kritisiert, weil sie unfair für arbeitende Mütter sei. Macron hatte kurz vor den Demonstrationen einen neuen Plan zur Herstellung von Geschlechtergerechtigkeit präsentiert.

Auf mehr als 15 angemeldeten Veranstaltungen demonstrierten in Berlin mehrere tausend Menschen für Gleichberechtigung und gegen Diskriminierung. Berlins Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) betonte, auf dem Weg zur Geschlechtergerechtigkeit seien weitere Schritte nötig. Frauen erlebten täglich, dass der Zugang zu politischer, wirtschaftlicher und gesellschaftlicher Teilhabe für sie ungleich schwerer sei. Der Internationale Frauentag ist in Berlin seit 2019 ein gesetzlicher Feiertag und wird dort vermehrt auch als "Kampftag" bezeichnet.

Gewonnene Rechte sind nicht sicher

Bereits am Montag hatte UN-Generalsekretär António Guterres eklatante Rückschritte im Kampf um Gleichberechtigung von Mädchen und Frauen beklagt. Frauenrechte würden auf der ganzen Welt "geschmäht, bedroht und verletzt". Die über Jahrzehnte errungenen Fortschritte verflüchtigten sich, weil das Patriarchat zurückschlage, erklärte Guterres.

Selbst in den westlichen Ländern, in denen Frauen vor dem Gesetz als gleichberechtigt gelten, gibt es immer wieder Einschnitte des Frauenrechts: So war der diesjährige Internationale Frauentag der erste, seitdem der Oberste Gerichtshof der USA das eigentlich von der Verfassung geschützte Recht auf Abtreibung beendete.