Die Fregatte "Sachsen", die bei der EU-Mission "Sophia" eingesetzt wird, fährt in den Hafen von Wilhelmshaven ein. (Archivbild Mai 2018)

Flucht übers Mittelmeer Kommt eine staatliche Seenotrettung?

Stand: 16.08.2019 19:23 Uhr

Die EU-Mission "Sophia" ist gestoppt worden. Stattdessen retten private Schiffe Flüchtlinge aus dem Mittelmeer. Die Bundesregierung will das nun ändern und setzt auf eine "Koalition der Hilfsbereiten".

Die EU-Kommission unterstützt den Wunsch von Bundeskanzlerin Angela Merkel, die Rettung von Flüchtlingen im Mittelmeer wieder in staatliche Hände zu legen. Aber Brüssel kann nicht mehr tun als an die Mitgliedsländer zu appellieren. Die EU-Staaten haben den Marine-Einsatz "Sophia" vor der libyschen Küste im Frühjahr auf Druck Italiens gestoppt. Doch für einen ausreichenden Ersatz haben sie nicht gesorgt. "Die jetzige Vereinbarung ist von einer optimalen Lösung weit entfernt. Eine Marineoperation ohne Schiffe kann mit Blick auf das Mandat nicht als ausreichend betrachtet werden", sagte Kommissionssprecher Carlos Martín Ruiz de Gordejuela. 

Migranten, die von der spanischen Fregatte "Reina Sofia" (Königin Sofia) auf See vor der italienischen Küsten gerettet wurden, während der Operation "Sophia", einer Mission der Marine der Europäischen Union

Migranten, die von der spanischen Fregatte "Reina Sofia" (Königin Sofia) auf See vor der italienischen Küsten gerettet wurden, während der Operation "Sophia", einer Mission der Marine der Europäischen Union

Tatsächlich setzen die an der EU-Operation "Sophia" beteiligten Länder nur noch Flugzeuge und Hubschrauber zur Aufklärung ein. Und sie bilden Personal der libyschen Küstenwache aus. Private Seenotretter tun das, worauf sich die EU-Staaten nicht einigen können: Sie retten Menschenleben. Und müssen dann wie die Schiffe "Open Arms" oder "Ocean Viking" tage- oder wochenlang nach sicheren Häfen suchen. Italien und Malta verwehren ihnen die Zufahrt. "Das Geschachere um die Seenotrettung im Mittelmeer muss endlich ein Ende haben. Es ist wirklich notwendig, dass wir es schaffen, eine Koalition der Hilfsbereiten zusammenzustellen", forderte Außenminister Heiko Maas Ende Juli.

Verfahren sollen beschleunigt werden

Mehrere EU-Staaten unter der Führung von Deutschland und Frankreich arbeiten daran. In drei Wochen wollen sich die zuständigen Innenminister in Malta wieder treffen. Für den deutschen Ressortchef Seehofer war allerdings schon bei einem EU-Treffen im Juli in Helsinki klar, dass es eine Lösung auf diesem Feld auf absehbare Zeit mit 27 Mitgliedsstaaten nicht geben werde.

Deshalb soll schnell eine Übergangslösung her: Ein Mechanismus, um gerettete Menschen rasch an Land zu bringen und dann auf einige aufnahmebereite EU-Staaten zu verteilen. Die Ankunftsländer wie Italien und Malta sollen wissen, dass sie nicht alleine gelassen werden, betonte Seehofer beim EU-Treffen. "Wir wollen mit diesem kontrollierten Notfallmechanismus vermeiden, dass so wie in der Vergangenheit Schiffe tage- oder wochenlang vor den europäischen Häfen liegen, bevor sie anlegen dürfen.

Derzeit müssen in jedem Einzelfall Staaten gefunden werden, die Flüchtlinge aufnehmen. Die jeweiligen Regierungen müssen sich stets wieder aufs Neue absprechen und die EU-Kommission kann erst koordinieren, wenn sie aus einem Staat eine formelle Anfrage bekommt. Seehofer ist nach eigenen Worten "ziemlich zuversichtlich", dass das Ministertreffen in Malta Anfang September eine Regelung beschließt, die das Verfahren schneller macht.

Bekämpfung von Schleppern

Aber auch die wäre weit entfernt von staatlich organisierter Seenotrettung, wie sie Merkel jetzt wieder einfordert, oder von einer Rückkehr zur EU-Mission "Sophia". Die war vor dreieinhalb Jahren gegründet worden, um Schlepper vor Libyen zu bekämpfen, die Migranten auf die lebensgefährliche Reise übers Mittelmeer schicken. Tatsächlich retteten die Schiffe vor allem Zehntausende Flüchtlinge aus kleinen Booten. Aber die Regierung in Rom wehrte sich dagegen, Gerettete automatisch nach Italien zu bringen.

Die Bundesregierung entsandte seit Februar keine Schiffe mehr, weil die von der italienischen Einsatzleitung weitab der Problemregionen eingesetzt wurden, beklagte Ursula von der Leyen, damals noch Verteidigungsministerin. "Wir sind seit etwa einem dreiviertel Jahr vom italienischen Kommando in die entlegenste Ecke des Mittelmeers geschickt worden, wo es überhaupt keine Schmuggelrouten gibt und wo es auch keine Flüchtlingswege gibt. Die Soldatinnen und Soldaten, unser Schiff, waren ohne sinnvolle Aufgabe seit Monaten."

Jetzt ist von der Leyen neue Präsidentin der EU-Kommission und eine ihrer schwersten Aufgaben nach der Amtsübernahme im November wird es sein, eine übergreifende Asylpolitik für die gesamte EU zu formulieren.

Jakob Mayr, Jakob Mayr, ARD Brüssel, 16.08.2019 17:07 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete MDR aktuell am 16. August 2019 um 19:10 Uhr.