Gipfeltreffen in Wien Alte Ziele auf der neuen Agenda

Stand: 24.09.2016 17:42 Uhr

Neue Lösungswege hat der Flüchtlingsgipfel in Wien nicht gebracht. Die EU-Regierungschefs - und allen voran Kanzlerin Merkel - bleiben bei altbekannten Grundrezepten. Dabei heißt die Zauberformel Nummer eins: besserer und gemeinsamer Grenzschutz.

Von Mit Informationen von Stephan Ozsvath, ARD-Studio Wien

Es waren keine wirklich neuen Töne, die nach dem Ende des Flüchtlingsgipfels in Wien von Bundeskanzlerin Angela Merkel kamen: Viel sei in der Europäischen Union innerhalb des vergangenen Jahres erreicht worden, um mit der Krise umzugehen. Bei der Bekämpfung der illegalen Einwanderung habe das Bündnis "deutliche Fortschritte" gemacht, betonte die CDU-Chefin. Insgesamt hatten Regierungschefs und Vertreter von elf EU-Staaten an dem Treffen in Österreich teilgenommen.

Doch es müsse weitergehen: "Wir wollen insgesamt Illegalität bekämpfen und Legalität stärken", hieß es von Merkel. Dafür will Deutschland vor allem die Staaten künftig weiter unterstützen, in denen die Flüchtlinge nach ihrer Überfahrt über das Mittelmeer ankommen: Griechenland und Italien. Pro Monat will die Bundesrepublik laut Merkel mehrere Hundert Migranten mit Bleiberecht aus diesen beiden Staaten aufnehmen. Flüchtlinge, die keine Aussicht auf Asyl hätten, sollten künftig aber noch schneller zurückgeschickt werden.

Staaten fordern Hilfe bei Grenzschutz

Auch ein anderes Steckenpferd griff Merkel ein weiteres Mal auf: den Grenzschutz. Um den auszubauen, solle die Grenzschutzagentur Frontex ihren Einsatz ausweiten. Auch das Personal der Truppe solle aufgestockt werden. Griechenland habe einen Antrag gestellt, um Hilfe bei der Überwachung der Grenze zu Mazedonien zu erhalten. Auch andere Staaten hätten ähnliche Anträge eingereicht.

Außerdem solle der Abschluss von Rückführungsabkommen mit Afghanistan, Pakistan und mehreren Staaten Nordafrikas mit Eile vorangetrieben werden. Zudem seien weitere Abkommen - die dem Flüchtlingsdeal mit der Türkei ähneln sollten - mit Ägypten und ebenfalls nordafrikanischen Ländern geplant.

"Balkanroute muss geschlossen bleiben"

EU-Ratspräsident Donald Tusk setzte beim Thema Grenzschutz einen anderen Schwerpunkt: Er müsse nicht nur ausgebaut, er müsse vor allem erhalten bleiben - und bezog sich dabei auf die Balkanroute. "Wir müssen praktisch und politisch sicherstellen, dass die westliche Balkanroute für illegale Migration für immer geschlossen ist", sagte Tusk.

Eine Bedingung, der sich auch Ungarns Ministerpräsident Viktor Orban anschloss. Zudem schlug er vor, mehr als eine Million illegal Eingewanderte wieder abzuschieben und sie in bewachten Lagern außerhalb der EU unterzubringen. Seiner Ansicht nach eigne sich Libyen besonders, darum müsse die EU sich dafür einsetzen, das Land mehr zu stabilisieren.

Zahl der ankommenden Flüchtlinge steigt wieder

Die offizielle Schließung der Balkan-Route hatte Österreich beim letzten Westbalkangipfel im Februar durchgesetzt - damals war Deutschland auf dem Treffen nicht vertreten. Daraufhin wurde die Route Anfang März für Flüchtlinge und andere Migranten ohne gültige Reisedokumente und Einreisevisa geschlossen. Österreich hatte Anfang des Jahres in seiner Flüchtlingspolitik eine Kehrtwende gemacht und war von einer offenen Willkommenskultur auf Abriegeln umgeschwenkt.

Trotzdem hat die Zahl der in der EU ankommenden Flüchtlinge wieder zugenommen. Insgesamt suchten im ersten Halbjahr 2016 rund 600.000 Menschen in EU-Staaten Zuflucht. Von 305.700 Asylbewerbern, die nach Angaben der Statistikbehörde Eurostat im zweiten Quartal in die EU kamen, beantragten 61 Prozent Asyl in Deutschland.

Die Verteilung der Flüchtlinge unter den EU-Mitgliedsstaaten spielte in Wien keine Rolle. Ungarn und die Slowakei klagen gegen feste Verteilungsquoten vor dem Europäischen Gerichtshof. Außerdem hat die Regierung in Budapest die Wähler nächste Woche zu einem Referendum in dieser Frage aufgerufen. Kritik an dieser beständigen Weigerung, Asylsuchende aufzunehmen, äußerte in Wien der EU-Migrationskommissar Dimitris Avramopoulos: "Solidarität gibt es nicht à la carte."