EU will mehr Grenzkontrollen erlauben 36 Flüchtlinge und die Rückkehr der Schlagbäume

Stand: 04.05.2011 19:17 Uhr

Das Schengen-Abkommen macht es möglich, innerhalb Europas ohne Kontrollen zu reisen. Der Zwischenstopp an Schlagbäumen könnte künftig aber wieder häufiger notwendig werden. Denn die EU-Kommission plant neue Regeln. Grund sind die Flüchtlinge aus Nordafrika - von denen bisher 36 nach Deutschland kamen.

Die EU-Kommission hat angesichts Tausender nordafrikanischer Flüchtlinge dem Druck Italiens und Frankreichs nachgegeben. Die Brüsseler Behörde legte Vorschläge vor, die es Mitgliedsstaaten erleichtern könnte, Grenzkontrollen innerhalb Europas wieder einzuführen. Ein neuer Mechanismus sei nötig, um die Stabilität des Schengen-Raums - und damit die Reisefreiheit in Europa - zu sichern, sagte die zuständige EU-Kommissarin Cecilia Malmström. Bei außergewöhnlichen Umständen könnte es "erforderlich sein, zeitweilig wieder begrenzte Grenzkontrollen an den Binnengrenzen einzuführen", erklärte sie. Dies könne etwa der Fall sein, "wenn ein Teil der Außengrenze einer starken und unerwarteten Belastung ausgesetzt ist".

"Keine Festung Europa bauen"

"Auch wenn wir eine Änderung in Betracht ziehen, dürfen wir Schengen nicht untergraben", betonte Malmström. "Schengen ist eine fantastische Errungenschaft", sagte sie. "Und wir sollten sie schützen." Aber es gebe Raum für Verbesserungen. Sichere Grenzen bedeuteten aber nicht, "dass wir eine Festung Europa bauen". Nach den Plänen der EU-Kommission sollen Schengen-Staaten Grenzkontrollen nur unter "sehr strengen Bedingungen" und zeitlich begrenzt wieder einführen können - nach einer europäischen Entscheidung und unter der Aufsicht der europäischen Kommission.

Die Möglichkeit, kurzzeitig Grenzkontrollen wieder einzuführen, ist schon jetzt im Schengen-Grenzkodex vorgesehen. Nach Artikel 23 kann ein Mitgliedsland "im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit" ausnahmsweise für einen begrenzten Zeitraum an seinen Grenzen wieder Personen kontrollieren. Die Maßnahmen dürfen höchstens 30 Tage dauern oder so lange, wie die "schwerwiegende Bedrohung" andauert. Die formulierte Voraussetzung einer Bedrohung der öffentlichen Sicherheit sei "schwammig", räumte Malmström ein.

Reaktion auf Streit zwischen Italien und Frankreich

Die EU-Kommission will mit ihrem Vorstoß die Interpretationslücke schließen, die zuletzt vor allem zwischen Frankreich und Italien zu Problemen geführt hatte. Italien hatte tunesischen Flüchtlingen gegen den Willen zahlreicher Mitgliedsstaaten befristete Aufenthaltsgenehmigungen erteilt, die viele zur Weiterreise nach Frankreich nutzten. Daraufhin führte Frankreich zeitweise wieder Grenzkontrollen ein. In einem gemeinsamen Brief forderten die Staaten schließlich eine Reform des Schengen-Abkommens, was in der EU aber höchst umstritten ist.

Die Bundesregierung signalisierte ihre Unterstützung für die Pläne der EU-Kommission. Dabei sei es wichtig, dass die Freizügigkeit zwischen den Mitgliedsstaaten erhalten bleibe, sagte ein Sprecher des Innenministeriums. "Der Geist von Schengen steht damit keinesfalls zur Disposition." Allerdings müsse man flexibel auf Beeinträchtigungen reagieren. Harsche Kritik äußerten dagegen die Grünen. "In Europa darf es keinen Millimeter Platz für neue Grenzanlagen geben", sagte Grünen-Parteichef Cem Özdemir. Dagegen erklärte der CSU-Europaabgeordnete Manfred Weber: "Es kann Situation geben, in denen Grenzkontrollen sinnvoll sind." Er sprach sich in diesem Zusammenhang aber gegen nationale Alleingänge aus. Die SPD-Europaabgeordnete Birgit Sippel sagte: "Die Kommission darf sich nicht dem Druck zweier Regierungschefs hingeben."

Über die Vorschläge Malmströms beraten die EU-Innen- und Justizminister kommende Woche auf einer Sondersitzung. Im Juni soll sich auch der turnusmäßige EU-Gipfel mit dem Thema befassen.

36 Flüchtlinge wollten nach Deutschland

Seit Jahresbeginn erreichten mehr als 25.000 Nordafrikaner, die meisten von ihnen aus Tunesien, die Europäische Union. Die meisten kamen in Italien und Malta an. Nur sehr wenige entschieden sich für eine Weiterreise nach Deutschland. Seit dem 18. April wurden an der Grenze zu Österreich 36 Tunesier registriert, die mit Reisedokumenten aus Italien nach Deutschland einreisen wollten, teilte ein Sprecher des Bundesinnenministeriums in Berlin mit. 19 von ihnen sei die Einreise gestattet worden, weil sie über ausreichende finanzielle Mittel verfügten. Die anderen seien an die deutschen Behörden übergeben oder zurückgeschickt worden.