Reaktionen auf Treffen zur Flüchtlingskrise "Natürlich zu wenig"

Stand: 26.10.2015 11:32 Uhr

Für Österreich sind die Ergebnisse des EU-Treffens zur Flüchtlingskrise "natürlich zu wenig", Luxemburg kritisiert die Gespräche als "uneuropäisch" und der Bundesentwicklungsminister fürchtet, die Ergebnisse könnten auf dem Papier versauern. Einige Reaktionen im Überblick.

Zehntausende Flüchtlinge fliehen derzeit über die Balkanroute in Richtung Westeuropa. Sie haben kein Dach über dem Kopf, sie frieren, sie hungern, sie haben keine trockene Kleidung. Nach Einschätzung der EU droht - auch mit Blick auf den Winter - eine humanitäre Katastrophe. Um diese abzuwenden, kamen gestern die Regierungschefs der EU zu einem Sondertreffen zusammen. Es sollte eine schnelle Lösung für das Problem gefunden werden. Doch der Durchbruch blieb aus.

Worauf sich die zehn EU-Länder sowie Serbien, Mazedonien und Albanien einigen konnten: Entlang der Balkanroute sollen 100.000 Plätze zur Unterbringung von Flüchtlingen geschaffen werden. Davon sollten 50.000 Plätze in Griechenland entstehen, sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker. Die griechische Regierung wolle davon 30.000 Plätze bis Jahresende zur Verfügung stellen und mit Hilfe des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR weitere 20.000.

Die europäischen Partner versprachen zudem, innerhalb einer Woche 400 Polizisten und zusätzliche Ausrüstung nach Slowenien zu schicken. Sie sagten auch Hilfsgüter wie Zelte, Nahrungsmittel und Medikamente für alle Länder mit entsprechendem Bedarf zu.

Österreich sind Ergebnisse zu schwach

Dieses Ergebnis löst bei Teilnehmern und Beobachtern eher verhaltene Reaktionen aus. Nach Auffassung von Österreichs Regierungschef Werner Faymann reichen die vereinbarten Kapazitäten für neue Unterkünfte auf der Balkanroute bei Weitem nicht aus: "Die 50.000 zu schaffen an Kapazitäten für den Winter zwischen Griechenland und Österreich ist natürlich zu wenig, wenn man die Zahlen der letzten Wochen sieht", sagte er. Die Regierung in Slowenien hatte am Wochenende gemeldet, dass an einem einzigen Tag 15.000 Flüchtlinge über Kroatien ins Land gekommen seien.

Auch Bundesentwicklungsminister Gerd Müller ist skeptisch, ob die aktuellen Beschlüsse ihr Ziel erreichen. Die geplanten 100.000 Aufnahmeplätze entlang der Balkanroute dürften nicht nur auf dem Papier stehen und Gefahr laufen, ein ähnliches Schicksal zu erleiden wie der letzte EU-Beschluss über die Verteilung von 120.000 Flüchtlingen auf die Mitgliedsstaaten. Von diesen seien schließlich bislang erst 900 tatsächlich auf diese Weise untergebracht worden, sagte der CSU-Politiker im SWR.

Umsetzung der Pläne wird dauern

Bundeskanzlerin Angela Merkel räumte ein, dass die Umsetzung der Beschlüsse Zeit brauche. Die zusätzlichen Aufnahmeplätze müssten erst einmal geschaffen werden, sagte sie: "Das wird nicht morgen oder heute Früh in Kraft sein." Das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR müsse Unterstützung leisten.

Kanzleramtsminister Peter Altmaier wertete die Ergebnisse des Sondertreffens im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF als ersten Schritt zu einer abgestimmten europäischen Flüchtlingspolitik. "Wir müssen Schluss machen mit dem ungeordneten Durchströmen von Griechenland bis nach Deutschland", sagte der CDU-Politiker, der in der Bundesregierung die Flüchtlingspolitik koordiniert.

"Die erste Halbzeit war zum Teil unzumutbar"

Die Verhandlungen in Brüssel waren am Sonntagabend schleppend verlaufen. "Die erste Halbzeit war zum Teil unzumutbar", sagte Luxemburgs Außenminister Jean Asselborn im Morgenmagazin. Es sei "Uneuropäisches" gesagt worden und einige Balkanstaaten hätten sich darauf fokussiert, die Abschottung voranzutreiben. "Das Problem ist ja: Mit solchen Einstellungen gewinnt man Wahlen", sagte Asselborn. Aber die meisten Staaten wüssten, dass sich die EU der Herausforderung stellen müsse.

In der zweiten Halbzeit seien die Gespräche dann "rationaler" und "europäischer" abgelaufen, berichtete Asselborn. Am Ende habe es zwar keinen Durchbruch gegeben, aber etwas, auf das aufgebaut werden könne. Dann griff der Luxemburger einen Gedanken von Bundeskanzlerin Angela Merkel auf: "Wir sind immer noch eine Familie, wo wir auf die Werte schauen müssen. Nicht auf Zahlen und auf Paragraphen. Wir haben das zu schaffen!"

Die Ergebnisse des EU-Treffens

Die Staaten entlang der Westbalkanroute wollen 50.000 zusätzliche Aufnahmeplätze für Flüchtlinge schaffen. Weitere 50.000 Aufnahmeplätze sollen laut Schlusserklärung des Treffens in Griechenland eingerichtet werden. Darin eingerechnet sind die 10.000 Plätze, die es nach Angaben der EU-Kommission in Griechenland bereits gibt.

Flüchtlinge sollen nicht mehr ohne vorherige Benachrichtigung in Nachbarländer weitergeleitet werden. Deshalb sollen alle Regierungen Kontaktstellen einrichten, um sich täglich auszutauschen und abzustimmen. Innerhalb von 24 Stunden soll ein Netz von Ansprechpartnern zwischen den beteiligten Staaten entstehen, die Informationen zur Migrationsbewegung schneller als bisher bereit stellen.

Ankommende Menschen sollen bei der Einreise in die EU registriert werden, vor allem per Fingerabdruck.

Migranten ohne Anspruch auf Asyl sollen schneller abgeschoben werden. Dafür soll enger mit deren Herkunftsländern, vor allem Afghanistan und Pakistan, zusammengearbeitet werden. Die EU-Kommission soll ein Rückführungsabkommen - etwa mit Afghanistan - abschließen.

Zudem sind verstärkte Maßnahmen von Polizei und Justiz gegen Schlepper geplant. Europol und Interpol sollen auf dem Westbalkan aktiv sein.

Die europäischen Partner versprachen, innerhalb einer Woche 400 Polizisten und zusätzliche Ausrüstung nach Slowenien zu schicken. Sie sagten auch Hilfsgüter wie Zelte, Nahrungsmittel und Medikamente für alle Länder mit entsprechendem Bedarf zu.

Die EU-Grenzschutzagentur Frontex soll an der bulgarisch-türkischen Grenze gestärkt werden. Zudem soll es neue Frontex-Einsätze an den Grenzen Griechenlands zu Mazedonien und Albanien geben. Auch der Küstenschutz an der griechisch-türkischen Grenze soll verstärkt werden. Kroatien soll durch Frontex bei der Registrierung von Flüchtlingen und der Aufdeckung irregulärer Grenzübertritte unterstützt werden.